© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/22 / 09. September 2022

Ländersache: Bremen
Etwas Leckereres als Tofu findest du überall
Paul Leonhard

Immerhin die Stadtmusikanten, Bremens märchenhaftes Wahrzeichen, sind unzweifelhaft    tierischer Herkunf. Für die Ernährung soll das im kleinsten Bundesland bald nicht mehr gelten, wenn es nach dem Willen der Grünen geht. Rein pflanzliche Ernährung müsse Standard werden, fordern sie. 

„Ernährung ist auch eine politische Frage“, sagte der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Philipp Bruck, der das entsprechende Positionspapier seiner Fraktion erarbeitet hat. Danach sollen die Einwohner von Bremen und Bremerhaven 75 Prozent weniger Tierprodukte konsumieren. Verzichtet werden soll nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Milch sowie Milchprodukte, Eier und sogar Honig. 

Was da steht, zeigt die Zielrichtung künftiger Kampagnen auf. Als „umweltfreundlichste Ernährungsweise“ sei vegane Ernährung „zugleich vermutlich die wirksamste Maßnahme überhaupt zur Verringerung unseres individuellen Einflusses auf den Planeten“. Folglich sei es „Aufgabe von Politik, pflanzliche Ernährung in allen Bereichen zu fördern“. Und wem der Klimawandel egal ist, weil es diesen auf der Erde schon immer gab, den versuchen Bremens Grüne beim Tierwohl zu packen: „Gerechtigkeit gegenüber Tieren läßt sich mit dem Konsum tierischer Lebensmittel nicht vereinbaren.“ Da Straßenumfragen in Bremen zeigen, daß die Bürger zwar ein Herz für Tiere haben, aber kaum auf Fleisch verzichten wollen, setzen die Grünen dort an, wo sie als Mitregierende Zugriff haben: bei den öffentlichen Mensen und Kantinen. Dort sollten Tierprodukte nur noch eine Ausnahme sein.

„Kochen ohne Tierprodukte“ soll aber nicht nur in Mensen – die schon vor fünf Jahren für ihr veganes Essen von der Tierrechtsorganisation Peta ausgezeichnet wurden – und Kantinen zum Standard werden, auch „Gastronomiebetriebe sollen Angebote für Beratungsleistungen zur Ergänzung und Weiterentwicklung ihrer Speisepläne erhalten“. Fußballerstligist Werder Bremen ist da einen Schritt weiter: „Unser Verein bietet den Spielerinnen und Spielern auch über das Jahr hinweg immer wieder Ernährungsschulungen und Kochkurse an, auch mit vegetarischer und veganer Ernährung“, sagt Medienbeauftragter Norman Ibenthal: „Unserer Profi-Mannschaft werden zudem täglich auch fleischlose Mahlzeiten angeboten.“

Die Grünen stehen also mit ihrem Einsatz für Kichererbsen & Co. nicht allein da. Mit im Boot ist auch die evangelische Kirche Bremen, die sich nicht nur an der Aktion „Veganuary“ beteiligt, mit der seit 2014 bundesweit die Bürger aufgefordert werden, im Januar vegan zu leben, sie hat in diesem Jahr auch eigens in einer Arbeitsgruppe ein eigenes Veganuary-Programm entwickelt, um den Bremern das Thema nahezubringen. Schließlich liegt vegane Ernährung im Trend. 

Im vergangenen Jahr habe sich der Anteil an vegetarisch und vegan lebenden Menschen verdoppelt, teilt das Bundeslandwirtschaftsministerium im Ernährungsreport 2021 mit: auf stattliche zwei Prozent. Aber die haben es in sich, denn Klima- und Tierschutzpolitiker Philipp Bruck betont: „Wo die Freiheit von anderen berührt ist, kann essen nicht nur privat sein.“