© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/22 / 09. September 2022

Brüssel zahlt, und die Chinesen bauen
Kroatien: Bosnien-Herzegowina versuchte vergeblich, den Bau der Pelješac-Brücke zu verhindern
Hans-Jürgen Georgi

Wie überall in Europa, so wird auch in Kroatien um das Verhältnis zu China und zu seinen Projekten gerungen. Anlaß hierzu ist die Eröffnung einer Brücke, auf die das Adjektiv „historisch“ durchaus zutrifft. Die Brücke von Pelješac verbindet erstmals seit über 300 Jahren wieder den südlichen mit dem nördlichen Teil Kroatiens. Durch den Friedensvertrag von Karlowitz im Jahr 1699 war den Osmanen ein schmaler Zugang zur Adria zugesprochen worden, der heute zu Bosnien und Herzegowina gehört. So mußten die Reisenden immer zwei Grenzformalitäten über sich ergehen lassen, um in die Region der bekannten und beliebten Stadt Dubrovnik zu gelangen. Nun wird dieses Hindernis über eine vorgelagerte Halbinsel umfahren.

Möglich gemacht wird dies durch die 2.400 Meter lange Pelješac-Brücke, die am 26. Juli eröffnet wurde. Errichtet wurde sie von der chinesischen Staatsfirma China Road and Bridge Corporation (CRBC). Sie hatte sich gegen die österreichische Strabag und ein italienisch-türkisches Konsortium durchgesetzt, weil sie sich verpflichtete, so heißt es, das Projekt billiger und schneller umzusetzen.  Ende Juli 2018 begannen die Arbeiten, und schon drei Jahre später wurde mit dem letzten Brückensegment die „historische“ Verbindung hergestellt. Schon damals war auffallend, daß der kroatische Premierminister Andrej Plenković die chinesischen Erbauer nicht beim Namen nannte, sondern nur sagte: „ich möchte den Unternehmen und insbesondere den Arbeitern dafür danken, daß sie die Brücke früher als geplant verbinden konnten“. Dafür wurde die Bedeutung der EU für dieses Projekt hervorgehoben.

Ursula von der Leyen blieb der feierlichen Eröffnung fern

Das allerdings zu Recht, denn von den Baukosten von 420 Millionen Euro hat die Europäische Union 85 Prozent übernommen. Kroatien hätte dieses Projekt allein nicht stemmen können. Ein versuchter Brückenbau in den Jahren 2007 bis 2010 war schon einmal gescheitert.

Zum Brückenschluß im Sommer 2021 sagte Premier Plenković auch, daß diese Brücke Kroatien mit Bosnien und Herzegowina (BiH) verbinden würde. Das allerdings drückte mehr einen Wunsch als die tatsächliche Lage aus. BiH hatte immer versucht, den Brückenbau zu ver- oder zu behindern. Argumentiert wurde damit, daß durch einen Brückenbau der Zugang zum Meer gefährdet sei. Doch mit den jetzigen Dimensionen der Brücke ist die Anbindung zur Adria nun gewährleistet. Obgleich der Hafen von Neum heute kaum von Bedeutung ist, beträgt die Durchfahrtshöhe der Brücke 55 Meter. So meinte der kroatische Premier dann auch süffisant: „Diese Brücke ist so grandios und so groß, daß unter ihr auch die Titanic durchfahren könnte“. 

Schon von Beginn wurde kritisiert, daß ein solch wichtiges und umfangreiches Infrastrukturprojekt, finanziert durch die Europäische Union, den Chinesen überlassen wurde. Mißbilligt wurde auch, daß am Bau der Brücke nur Chinesen beteiligt seien. So einigte man sich darauf, daß wenigstens die Zugangsstraßen von europäischen Firmen gebaut werden. Im Jahr 2019 wurden dafür die österreichische Strabag und die griechische Avax verpflichtet. 

Termingerecht und zu den vereinbarten Kosten wurde die Pelješac-Brücke am 26. Juli 2022 übergeben. Obgleich es eines der größten EU-geförderten Projekte ist, erschien die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, nicht zur Eröffnung. Vielmehr schickte sie eine aus der Region stammende Stellvertreterin, Dubravka Šuica. Diese hob die „europäischen Werte und die Solidarität unter den Mitgliedern“ hervor, erwähnte in ihrer Rede aber mit keinem Wort, daß die Brücke von insgesamt 680 chinesischen Arbeitern errichtet wurde.