© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/22 / 09. September 2022

Zeitschriftenkritik: Eigentümlich frei
Herrschende und Untertanen
Werner Olles

Herausgeber André F. Lichtschlag nimmt im Vorwort zur 225. Ausgabe (September 2022) des Magazins eigentümlich frei kein Blatt vor den Mund. „Tatsache ist, daß man die Angst der Herrschenden und ihrer medialen Helferkaste bis in unsere bald womöglich eiskalten Wohnzimmer spüren, ihr Pipi in der Hose förmlich riechen kann. Sie rüsten sprachlich, ideologisch und auch totalitär-staatlich immer weiter auf. (…) Was auch immer kommen mag, vergessen wir nicht: Es ist nicht unsere Welt, es ist ihre Gaga-Welt, die da zusammenzubrechen droht!“

Der Jurist und Publizist Carlos A. Gebauer legt den Lesern das Buch „The Psychology of Totalitarianism“ des belgischen Psychologen Mattias Desmet ans Herz. Anders als Diktaturen, die ihren Untertanen mit Gewalt Gehorsam aufzwingen, funktionierten Totalitarismen durch andere Mechanismen. Im Innern greife eine eigene Bereitschaft der Unterworfenen, sich als Individuen folgsam in ein größeres Ganzes einzufügen, wobei eine überbetonte Solidarität mit der Masse herrsche. Aus dieser Gemütslage resultiere eine erbarmungslose Intoleranz gegenüber jeder Stimme, die das Kollektiv in Zweifel ziehe oder Fragen nach der Plausibilität des Ganzen stelle. So entstehe ein Zustand der Massenhypnose, die nicht nur grundlegende ethische Gefühle des Einzelnen zum Schweigen bringe, sondern die intellektuelle Kritikfähigkeit der Betroffenen faktisch stillege.

Artur Abramovych erinnert in seiner Laudatio zum 60. Geburtstag des Publizisten Michael Klonovsky an dessen kritisch-ironische Rezension des im Gefolge der „Selbstbewußten Nation“ (1994) ein Jahr später erschienenen Sammelbandes „Wir 89er“, dem das Geburtstagskind damals nicht zu Unrecht „avantgardistisches Pathos“ und „postpubertäre Emphase“ bescheinigte. Klonovskys verständlicher Wandel zum Reaktionär resultiere „aus der tiefen Einsicht in die Vergeblichkeit jeglicher Theoriegebäude“ und in die wesenhaft pessimistische Einsicht der Nicht-Theoretisierbarkeit der Welt. So zitiere er gerne eine Sottise Billy Wilders, nach der die Pessimisten unter den jüdischen Migranten in Hollywood landeten, die Optimisten hingegen in Auschwitz. Daß die Bundestagskandidatur des Jubilars letztlich scheiterte, sei bedauerlich, „als uns dadurch zweifellos die amüsantesten Reden, die im Hohen Haus hätten gegeben werden können, vorenthalten bleiben“.

Weitere Beiträge befassen sich mit der Inflation „und wie Sie sich wehren können“, dem bedingungslosen Grundeinkommen sowie einem Gegenentwurf zum Hashtag „Wir haben mitgemacht“ der Impfbefürworter und der Frage von Robert Grözinger: „Warum haben sie mitgemacht?“

Kontakt: Lichtschlag Werbung und Medien, Dorfstraße 61, 40667 Meerbusch. Das Einzelheft kostet 11,80 Euro, ein Jahresabo für zehn Ausgaben 116 Euro.

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