© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/22 / 09. September 2022

„Das ist Rudelverrat!“
Kino II: Der Film „Alle für Ella“ ist toller Anschauungsunterricht über die massenmediale Manipulation unserer Jugend
Dietmar Mehrens

Manchmal hilft es ja, sich die Anträge vorzustellen, mit denen ein Filmprojekt um Fördergelder buhlt, um zu verstehen, wie es so weit kommen konnte, daß es überhaupt realisiert wurde. Bei der Filmförderung geht es ja vor allem darum, linksgrün dominierte, EU-weite Aktionspläne (JF 22/22) zu erfüllen. „‘Alle für Ella’ zeigt starke junge Frauen und ermutigt die jugendlichen Zuschauerinnen zu einem selbstbestimmten Leben“, könnte da gestanden haben. „Die subtile Inszenierung der lesbischen Beziehung zwischen Romy und Cahide macht ‘Alle für Ella’ zu einem starken Plädoyer für sexuelle Vielfalt.“ Oder: „Durch dezent im Film plazierte Regenbogen-Symbole wird das jugendliche Publikum auch auf einer unterbewußten Ebene für Weltoffenheit und Toleranz sensibilisiert.“ Oder: „Durch den bewußten Verzicht auf Vaterfiguren kann ‘Alle für Ella’ einen substantiellen Beitrag zur Überwindung patriarchalen Denkens in der Gesellschaft leisten.“ Wenn Filmproduzenten betteln gehen, um Fördergelder einzustreichen, brauchen sie gute Argumente.

Vom Macho-Rapper zum schnurrenden Sofakätzchen

Damit ist bereits einiges gesagt über das Produkt, von dem hier die Rede sein soll. Es heißt „Alle für Ella“ und ist ein billig gemachter und billig aussehender Propagandafilm für Jugendliche, in dem es – 25 Jahre nachdem Katja Riemann, Jasmin Tabatabai und Nicolette Krebitz als „Bandits“ mit heißen Rhythmen die Leinwand zum Beben brachten – um eine Gruppe Musik machender Mädchen geht. Ihre Namen sind Ella (Lina Larissa Strahl), Anaïs (Safira Robens), Romy (Malene Becker) und Cahide (Tijan Marei), und sie nennen sich nach der Verfasserin von „Mrs. Dalloway“, die wohl mal in irgendeinem Hochschulseminar von Drehbuchautorin Anja Scharf vorgekommen sein muß, „Virginia Woolfpack“. Abiturientinnen, die freiwillig Virginia Woolf lesen – in welchem Zeitalter es das wohl jemals gegeben hat?

Daß ein Junge und ein Mädchen sich einfach so verlieben, das war früher mal. In einem Zeitalter, in dem sich der Feminismus zum prägenden Faktor sogar der deutschen Außenpolitik gemausert hat, muß ein Mädchen sich erst mal von ihrer weiblichen Bezugsgruppe lösen und dort das Plazet einholen, ehe es mit einem Jungen Musik und mehr macht. Jedenfalls wenn man ernst nimmt, was Regisseurin Teresa Hoerl ihren Zuschauern hier als Leitbild zu vermitteln versucht. Genüßlich dreht sie an der ethno- und geschlechtsrevisionistischen Schraube: Die Wölfinnen sind zu 50 Prozent LGBT und zu 25 Prozent migrantisch. Schon seit der ersten Klasse bildet das Quartett eine Art Familie. Das Verhältnis zwischen im Film auftretenden Vätern und im Film auftretenden Regenbögen endet mit einer 0:3-Klatsche für die Väter. 

Der Hauptkonflikt des Films besteht in der radikalen Abneigung von Ellas Bandkolleginnen gegen ihren heimlichen Schwarm, den Macho-Rapper Alfa-MK (Gustav Schmidt). Für das Woolfpack ist er einfach nur „der Affe“. Doch der aufgeblasene Fatzke ist für die Mädels auch ein ernstzunehmender Konkurrent beim Energy Song Contest, bei dem sie auf den ersten Platz und damit auf einen Karriereschub hoffen.

Kennengelernt haben sich Ella und Alfa-MK in der Villa der offenbar alleinerziehenden Mutter des Sängers. Ellas Mutter (Lavinia Wilson) arbeitet dort als Putze, Töchterchen hilft mit. Als sie in Alfas Zimmer herumspioniert und heimlich sein privates Tonstudio ausprobiert, wird sie von dem attraktiven Schnösel erwischt. Der findet Ellas Stimme toll und tauscht seine E-Gitarre gegen einige der von ihr eingesungenen Liedschnipsel ein. Ohne Ellas Wissen verwurstet er die für ein neues Musikstück. Als das auffliegt, steht ein ungeheuerlicher Vorwurf im Raum. „Das ist Rudelverrat!“ heulen nämlich die anderen drei Wölfinnen. Aber irgendwie wird ein taffes Mädel wie Ella auch aus dieser Nummer wieder herauskommen. Spätestens als man ihn auf einem klimafreundlichen E-Roller durch München düsen und als Pantoffelhelden bei der Liedprobe sieht, ist klar: Alfa wird bei seiner Umprogrammierung vom Macho zum schnurrenden Sofakätzchen keinen nennenswerten Widerstand leisten.

„Alle für Ella“ versucht gar nicht erst so zu tun, als wollte er etwas anderes sein als eine ebenso geist- wie seelenlose Anbiederung an den Zeitgeist. Einzig die Musik der vier Wölfinnen, die sich künstlerisch an der Band Silbermond zu orientieren scheinen („Woolfpack“-CD im Handel erhältlich), ist die Kinokarte wert. Ein kleiner Trost für Kritiker der zur Schau gestellten Regenbogen-Ideologie ist auch die nette Pointe: Am Ende – wie und wodurch soll hier nicht verraten werden – gewinnt der Teufel. 


Kinostart ist am 8. September 2022