© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/22 / 09. September 2022

Filmkritik Die Wendeltreppe
Serienmörder im Haus
Werner Olles

In einer Kleinstadt in Neuengland geht 1916 ein Serienmörder um, dessen Opfer stets behinderte junge Frauen sind. Helen (Dorothy McGuire) hat als Kind durch einen Schock ihre Sprache verloren und arbeitet nun als Zimmermädchen auf dem alten Landsitz der wohlhabenden Mrs. Warren (Ethel Barrymore) und ihrer beiden Söhne Albert (George Brent) und dessen Halbbruder Steve (Gordon Oliver). Im Haus leben noch die attraktive Sekretärin Blanche (Rhonda Fleming), die mit Steve eine Affäre hat, eine Krankenschwester (Sara Allgood), die Mrs. Warren betreut, und das Haushälterehepaar Oates (Elsa Lanchester/ Rhys Williams).

Mrs. Warren ist sehr besorgt um Helen und drängt sie dazu, aufgrund der Morde das Haus und die Stadt zu verlassen. Als diese sich an ihrem freien Tag im Gasthof einen Film anschaut, wird zur gleichen Zeit im Gästezimmer ein verkrüppeltes Dienstmädchen ermordet. Nachdem Blanche ebenfalls dem Mörder zum Opfer fällt, verdächtigt Helen Steve, und es gelingt ihr, ihn im Keller einzusperren. Doch dann steht sie am Fuß der Wendeltreppe Albert Warren gegenüber, der sich als der wirkliche Täter entpuppt.Er will die Welt von allem Schwachen befreien, und Blanche tötete er, weil er eifersüchtig auf seinen Halbbruder war. Im Augenblick der höchsten Gefahr erscheint Mr. Warren …

In Robert Siodmaks Thriller „Die Wendeltreppe“ („The Spiral Staircase“, USA 1945) nach dem gleichnamigen Roman von Ethel Lina White, in dem die Heldin allerdings nicht stumm ist und auch sonst keine Behinderung hat, spielen ähnlich wie in den Filmen von Fritz Lang und Alfred Hitchcock Details und Objekte eine wesentliche Rolle. Wie zu Beginn die Kamera (Nicholas Musuraca) auf das Auge des Mörders fährt, ist die Situation selbst in ihrer alptraumhaften Konsequenz exemplarisch für das Genre der Schwarzen Serie. In all diesen Filmen regiert der Schrecken, der auch hier hinter den vertrauten Fassaden des Alltags lauert. Die Kritik reichte von „meisterhafter Psychothriller“ (Lexikon des Internationalen Films) bis zu „äußerst effektvoller Gruselkrimi“ (6000 Filme). Tatsächlich gelang Robert Siodmak eine spannungsreiche und perfekte Inszenierung, die die psychologischen Akzente geschickt und glaubwürdig verdichtet. Ethel Barrymore erhielt für ihre Rolle eine Oscar-Nominierung als „Beste Nebendarstellerin“.

DVD/Blu-ray: Die Wendeltreppe. Filmjuwelen 2022, Laufzeit etwa 70 Minuten