© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/22 / 09. September 2022

Alarmierende Berichterstattung
Studie: Fast ein Drittel der deutschen Jugendlichen neigen zu Verschwörungserzählungen / Stimmt das?
Mathias Pellack

Fast ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland habe eine „Verschwörungsneigung“, denn sie „unterstellen Medien absichtliche Falschinformationen“. So zumindest heißt es in der „Vertrauensstudie“ der Universität Bielefeld im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung von Bayer, über die von der taz über die „Tagesschau“ bis zur Welt alle Medien jüngst berichtet haben. Was steckt dahinter?

Das ist leider bisher nicht öffentlich bekannt. Weder die Ergebnisse noch die der Studie zugrundeliegenden Fragen wurden publiziert. Einsehbar ist nur eine Zusammenfassung. Die Autoren, die neben dem Bielefelder Professor und Studienleiter Holger Ziegler und dem als „Experten“ titulierten Bernd Siggelkow, Gründer und Vorstand der Kinderstiftung „Die Arche“, nicht konkret benannt werden, schränken im Kleingedruckten die unter 751 Jugendlichen erhobene Studienaussagen noch ein: Die Ergebnisse seien nur für die städtische Bevölkerung repräsentativ. Diese Info ist zwar enthalten, doch aufgenommen hat sie kaum ein Medium. Auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT nach dem vollständigen Fragenkatalog und in welcher wissenschaftlichen Publikation die Studie erscheinen solle, verweist die Presseabteilung der Bepanthen-Kinderförderung auf den Studienautor. Dessen Antwort läßt bisher auf sich warten.

Dem Bildungsreporter Bent Freiwald entgegnet Studienleiter Ziegler: „Auf den Folien dargestellt sind übrigens Beispielfragen. Der Gesamtbogen ist ausgesprochen umfänglich.“ Eine unabhängige Überprüfung der Ergebnisse oder der Methoden war somit bisher nicht möglich.

Wie die Autoren zu der Einschätzung kommen, daß den deutschen städtischen Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren eine „Verschwörungsneigung“ zu attestieren ist, bleibt schlicht unklar. Laut der einsehbaren Ergebnispräsentation führen sie das auf das Antwortverhalten der Heranwachsenden auf eine Frage zurück. Es sollte der Aussage „Zeitungen und Nachrichtensendungen verbreiten vor allem ihre eigene Meinung, der man nicht trauen kann“ entweder zugestimmt werden – oder eben nicht. Direkt enthalten ist in der Fragestellung kein Hinweis auf eine Verschwörung. Diese Ableitung nehmen die Autoren in der Überschrift vor. Hier würden „absichtliche Falschinformationen unterstellt“. Aus natürlicher Skepsis wird Boshaftigkeit oder zumindest Dummheit gemacht.