© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/22 / 09. September 2022

August 1939 – Hitlers Geheimrede auf dem Obersalzberg
Streit ums Schlüsseldokument
(ob)

Die Geheimrede, die Adolf Hitler auf dem Obersalzberg am 22. August 1939 hielt, um die Wehrmachtführung auf den Krieg einzustimmen, ist für den in Prag als Gastprofessor lehrenden Historiker Norman Domeier die, wie er im falschen Superlativ schreibt, „entlarvendste Quelle“, die sowohl des „Führers“ Willen zur „Erd-Herrschaft“ (Friedrich Nietzsche) als auch das Einverständnis seiner Generale dokumentiere (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 6/2022). Ungeachtet seines singulären historischen Werts galt der von dem US-Journalisten Louis Lochner überlieferte Redetext, der auf einer stenographischen Mitschrift des Ohrenzeugen Admiral Wilhelm Canaris beruht, in der Forschung stets als umstritten. Noch der aktuelle Wikipedia-Eintrag behauptet apodiktisch, es handele sich um eine Fälschung. Für Domeier ist jedoch nicht zu bezweifeln, daß die Lochner-Version dem gesprochenen Wort am nächsten kommt. Historiker wie Winfried Baumgart, Andreas Hillgruber und Klaus-Jürgen Müller hätten in ihren Deutungen aus den 1960er und 1970er Jahren eine verkürzte Version zugrunde gelegt, „um die Spitzen der Wehrmacht in den in der Rede angekündigten Welteroberungsplänen und Kriegsverbrechen zu entlasten und die Vorstellung von einer ‘sauberen’ Wehrmacht aufrechtzuerhalten“. 


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