© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/22 / 09. September 2022

Leserbriefe

Zu: „Ampel-Chaos in Berlin / Versagen im Ernstfall“ von Dieter Stein, JF 36/22

Beziehung und Proporz, nicht Kompetenz

Die Beschreibung der erbärmlichen politischen Versager, die den lecken Kahn orientierungslos dahintreiben lassen, ist zu kurz gegriffen. Der Hinweis auf die fehlenden Erfahrungen dieser Politikerkaste, deren Wissen über die Fährnisse und Probleme der Kriegs- und Nachkriegsgeneration rudimentär sein dürfte, ist nicht die einzige Ursache und auch keine Entschuldigung. Heute tummeln sich in den Parteien Personen mit akademischen Weihen oder auch nicht, die durch Anpassungsfähigkeit, Unterwürfigkeit und auf Grund eines undurchschaubaren  Beziehungsgeflechts oder des Parteienproporzes in höchste Staatsämter gespült werden, nicht etwa durch ihre Kompetenz. Die anhaltenden Krisen würden zur Lösung hervorragende Fachkräfte aus Wirtschaft und Gesellschaft erfordern. Nur sie könnten in enger Zusammenarbeit vielleicht noch die Karre aus dem Dreck ziehen. Das aber bleibt wohl ein utopischer Wunsch der gequälten Nation. 

Die politischen Dilettanten sind unfähig, ihr politisches Amt auszuüben. Nur die Zuarbeit ihrer Mitarbeiterstäbe kann vermutlich das Schlimmste verhüten, soweit sie mit fachkundigem Personal besetzt sind. Der verwaltete Stillstand oder gar Rückgang scheint zur Staatsdoktrin zu werden. Die Damen und Herren im Ministeramt bleiben aus der Sicht der Bürger nur noch „Grüßauguste“ und Propagandisten in eigener Sache.

Rolf Dieter Oertel, Lemgo






Zum Schwerpunktthema: „Unfähig zum Dialog“, JF 36/22

Unvernünftig: Falsches Expertentum

Tatsächlich, „es ist bestürzend“, so die Überschrift Ihres Interviews, ja unfaßbar, daß eigentlich jeder heute weiß, daß die sogenannten Corona-Impfstoffe nicht schützen: weder den Geimpften vor Ansteckung durch andere oder vor einem schweren Verlauf, noch seine Umgebung vor Ansteckung durch ihn selbst. Nur Thilo Sarrazin scheint das nicht zu wissen, ja, er glaubt allen Ernstes, sich auf die „Experten“ verlassen zu müssen. Die Pharma-Industrie verdient sich eine goldene Nase. Die Demokratie ist in Gefahr, völlig ausgehebelt zu werden. Herrn Sarrazin kümmert das anscheinend nicht.

Jacqueline A. Henley, Stuttgart






Zu: „Das Band zerfällt“ von Michael Paulwitz, JF 36/22

Demographisches Vorbild Ungarn

Allerorts ist das Jammern über den Arbeitskräftemangel und den demographischen Wandel zu hören mit seinen Folgen sowohl für den gegenwärtigen Wohlstand wie die zukünftige Überforderung unserer Sozialsysteme. Dabei werden zwar viele Kriterien genannt, aber nicht das entscheidende. Denn eindeutig ist, daß dies alles nur eine Konsequenz unseres „Kindermangels“ ist. Dabei liegt es klar auf der Hand: Wenn wir in Deutschland laut offizieller Statistik seit mehr als zwei Generationen Jahr für Jahr mehr als 100.000 Kinder im Mutterleib töten, dann hatten wir eigentlich genug Kinder, aber wir haben sie brutal umgebracht und das darüber hinaus mit Millionen von Steuergeldern gefördert. Jetzt darf dafür auch noch Werbung gemacht werden! Die Lösungsmöglichkeiten bietet für Europa schon lange ein Land an, nämlich Ungarn mit seiner erfolgreichen Familienpolitik. Und das bei vergleichsweise bescheidenerer Wirtschaftsleistung. In Ungarn gibt es eine deutliche Steigerung der Geburtenrate und zugleich erreichten die Abtreibungen historische Tiefstände. Dies alleine schon sollte diesem Land Vorbildcharakter in Europa geben. Aber dies paßt bestimmten Kreisen in Berlin und Brüssel nicht. Haß wird geschürt und ein EU-Sanktionsverfahren angeleiert – wegen „Gefährdung von EU-Grundwerten“.

Otto Spahn, Neuhof






Zu: „In Erwartung des Zorns“ von Thorsten Hinz, JF 36/22

„Spaziergang“-Nachspiele vor Gericht

Ergänzend zu dieser Reflexion über den Corona-Maßnahmenstaat ist unbedingt noch ein Wort über die juristische Verfolgung der „Spaziergänge“ zu verlieren. Um es vorwegzunehmen: Ich war in Leipzig am 9. Oktober 1989 dabei, als Egon Krenz den Befehl erteilte, die Rädelsführer zu verhaften. Doch die gab es nicht. Über die aktuellen Medienberichte rund um die Spaziergänge und deren juristische Aufarbeitung kann ich nur staunen, denn ich war kürzlich Zuhörer bei mehreren Verhandlungen im Amtsgericht Kronach. In einem Bußgeldverfahren am 13. Juni 2022 ging das Verfahren gegen Markus B. um eine existenzgefährdende Geldstrafe von über 4.000 Euro als angeblicher Versammlungsleiter der Spaziergänge. Eine Polizeibeamtin, die sich unter die Spaziergänger gemischt hatte, entschuldigte sich nach ihrer Aussage. Zehn anwesende Zeugen und auch ein Zeitungsartikel bestätigten, daß es keinen Versammlungsleiter gab. Die Richterin reduzierte die Geldbuße auf 100 Euro statt eines eigentlich eindeutigen Freispruchs. Die ursprüngliche Geldbuße ist für mich ein Skandal und zeigt, daß es sich eigentlich um eine politische Agenda handelt, die freie Meinungsäußerung einzuschränken. 

Vor der gleichen Richterin wurde am 25. Juli 2022 gegen Jochen M. verhandelt wegen Tragens einer Flagge. Diesmal war als erster Zeuge ein Polizei-Gruppenleiter geladen, der beim eigentlichen Vorgang überhaupt nicht anwesend gewesen war. Deshalb wurde sehr kurzfristig ein zweiter Polizist geladen. Derweil hierfür diese erste Verhandlung unterbrochen war, wurde der Fall Frau L. aus Neuses verhandelt, die wegen Nicht-Tragens einer Maske in einem Friseursalon mit nahezu 600 Euro Bußgeld bestraft werden sollte. Auch hier war eine vernichtende Geldsumme angesetzt, die durch die Richterin auf 100 Euro reduziert wurde. Danach ging die Verhandlung gegen Jochen M. weiter. Doch der Polizist verweigerte die Aussage. Daraufhin wurde die Verhandlung ausgesetzt und ein neuer Termin angesetzt. 

Es dürfte einmalig sein, wenn ein Beamter, der zu Recht und Gerechtigkeit verpflichtet ist, durch sein Schweigen eine Verhandlung platzen läßt. Was hat er zu verschweigen? Bei einer dritten Verhandlung am 1. August 2022 dann, so wurde mir glaubwürdig berichtet (da ich selbst verhindert war), hat die Staatsanwältin Jana Müller den Angeklagten unbotmäßig bedrängt, seine Aussage zu ändern und die schriftliche Aussage der Polizei anzunehmen – ohne Erfolg. Da als Zeuge wiederum ein Polizist geladen war, der beim tatsächlichen Vorgang nicht anwesend gewesen war, mußte auch diese Verhandlung neu angesetzt werden.

Peter Conrad, Weißenbrunn






Zum Schwerpunktthema: „Liebe Leute, entspannt euch!“, JF 35/22

Der Boulevard der Banalisierung

Die Herausstellung eines Interviewpartners als Titelikone ist schon per se unangebracht, sofern sich nicht hochbedeutende Nachrichten damit verbinden. In diesem Fall ist sie gleich doppelt verfehlt, da der Abgebildete ersichtlich ein Vertreter des indifferenten „Potius amicum quam dictum perdere“-Journalismus ist (der also lieber einen Freund verliert, als einen Witz unterdrückt) – also das Gegenteil dessen, was die JUNGE FREIHEIT ausmacht, die einen festen politischen und geistig-moralischen Standpunkt vertritt. „Man lebt als Journalist auch von seinen Feindbildern. Wenn statt Nancy Faeser dann eine total durchschnittliche, politisch absolut unauffällige SPD-Amsel ins Innenministerium einzieht (...) Wovor wollen Sie sich dann fürchten?“ – damit ist alles gesagt. Es ist die Programmatik journalistischer Indifferenz, die sich in selbst- und formulierungsverliebter Motzerei gefällt, mal über das, mal über jenes, und die großen Probleme unseres Landes zu Sujets für vorteilhafte Selbstdarstellung banalisiert.

Peter Pietschmann, Blaustein




Unbehagen ob durchgehender Ironie

Bisher habe ich die Interviews auf Seite drei mit Zustimmung und meist auch mit Gewinn gelesen. Das Interview mit Jan Fleischhauer allerdings bereitet mir Unbehagen. Ihm ist eine ironisierende Ausdrucksweise eigen, die er zur gewissermaßen rhetorischen Entschärfung politischer Konflikte einsetzt. Zwar äußert er durchaus derbe Kritik an der Regierungspolitik, die jedoch seine locker-unernste Wortwahl wieder relativiert. So übersieht er gänzlich, daß die „kessen“ Sprüche von Bundesinnenministerin Nancy Faeser einschneidende Konsequenzen für uns Bürger haben können. 

Die Aberkennung der Legitimität anderer Meinungen ist nach Fleischhauers Auffassung, „ein beliebter Trick“, um „alle, die einem nicht passen“, außerhalb des Verfassungsbogens zu stellen. Also sind z.B. die Maßnahmen gegen die sogenannte Delegitimierung des Staates nur als ein beliebter Trick aus dem Komödienstadl der Regierungstruppe anzusehen? Herr F. sagt weiter, mit der anderen Seite würde ähnlich verfahren, indem beispielsweise antikapitalistischen Parolen während der G20-Proteste „unter Antifa subsumiert“ wurden. Welch ein Vergleich! Steht nicht die Antifa unter dem Schutz von Frau Faeser und Frau Esken, die von sich selbst sagte, sie sei Antifa? 

Zum Schluß gibt Jan Fleischhauer den Rat: „Liebe Leute, entspannt euch!“ So wie er den Gender-Sprech als in der Öffentlichkeit gescheitert darstellt, läßt er vermuten, daß auch die anderen in Rede stehenden Kampfbegriffe wie „Kampf gegen Rechts“, „Islamophobie“ usw. den gesunden Menschenverstand nicht überdauern werden. Vielleicht hat er recht. Aber bis dahin wird manches geschehen, was nicht mit einem Lächeln abzutun sein wird. Und was den Kolumnisten Fleischhauer dabei betrifft: Er wird immer auf der sicheren Seite der Barrikade stehen.

Günter Schade, Berlin




Ziemlich konfuser Kolumnist

Dreißig Jahre beim Spiegel – eine lange Zeit, um aus Versehen konservativ zu werden. Und es zeigt sich ja auch am vorgetragenen Meinungspotpourri, daß da was nicht ganz stimmig ist. Auch ein Kolumnist sollte Sachverhalte gründlich durchdenken. Er hätte wenigstens bemerken müssen, daß manche Leute den Gashahn gar nicht erst aufgedreht haben und ihn weiterhin geschlossen halten wollen. Auch diese Leute setzen Gas als Waffe ein, gegen sich selbst, und gegen uns. Alles in allem mindestens ziemlich konfus.                      

Volker Spenke, Hänichen




Chronischer Selbstdarsteller

Warum sich der gestandene Moritz Schwarz dieses Interview mit einem chronischen Selbstdarsteller zugemutet hat, ist mir rätselhaft. Die flapsigen Antworten und Gegenfragen waren doch zu erwarten. Jan Fleischhauer gefällt sich in einer Attitüde des nichtangepaßten Denkers, der aber innerhalb seiner Zuordnungskohorte immer wieder mit gegenteiliger Aussage den Spannungsbogen für seine Person zu erhalten versucht. Den Interviewer warnt er, Opfer seiner „eigenen Steckenpferde“ zu werden, doch über sein eigenes Steckenpferd schweigt er sich aus.

Dr. Harald Römpp, Esslingen






Zur Karikatur: „Schrecklicher Alzheimerverdacht bei Kanzler Scholz“, JF 35/22

Höchste Zeit für den Lügendetektor

Olaf Scholz galt bislang als Aktenfresser mit Elefantengedächtnis. Nun, dann schlage ich Folgendes vor: Einsatz des Lügendetektors im Untersuchungsausschuß.

Beate Maier, Steinheim an der Murr






Zu: „Viel zahlen und doch frieren“ von Jörg Fischer, JF 34/22

Beschränktes Verständnis im Außenamt

Die deutsche Außenministerin hat ihre Unfähigkeit denkbar klar zur Schau gestellt. Sie wollte Rußland erklärtermaßen durch Sanktionen derart schaden, daß es „sich nie wieder davon erholt“. Das Gegenteil

ist eingetroffen. Stattdessen wird der eigenen Wirtschaft augenscheinlich ein noch nicht abzuschätzender schwerer Schlag versetzt. Wie kann es sein, daß eine Person mit einem derartigen Mangel an Urteilsvermögen immer noch im Amt ist?

Volker Wittmann, Philippsburg





Zu: „Im Hier und Heute verloren“ von Eberhard Straub, JF 34/22

Kompetenzorientierter Bildungsverlust

Der Inhalt der „Faust“-Lektüre hat, wie von den meisten Wissenschaftlern betont, nichts an Aktualität eingebüßt. Das Kultusministerium will nun auch in Bayern, als letztem Bundesland, diesen Klassiker hauptsächlich deswegen aus dem Deutschunterricht nehmen, weil die Voraussetzungen für die Erschließung des komplexen Textes immer weniger vorhanden sind. Es gibt erhebliche Wissensdefizite, es fehlt multiperspektivisches Denken, es fehlt eine solide Allgemeinbildung, viele hadern mit der Rechtschreibung, mit der deutschen Syntax (Probleme zum Beispiel beim Konjunktiv, Imperfekt) und am sprachlichen Ausdrucksvermögen. Kein Wunder: die Standards des Deutschunterrichtes wurden gesenkt mit Rücksicht auf die ethnische Umschichtung der Klassen, in denen kaum mehr – auch in Abiturjahrgängen – schriftdeutsch gesprochen wird. Die häufig intellektuell mit der Materie überforderten Schüler und Schülerinnen durchlaufen nur noch einen kompetenzorientierten Unterricht bis zum Durchwinken zum Abitur, und dabei würde doch der anspruchsvolle „Faust“ nur ein Hindernis sein. Mit der Verwässerung des Deutschunterrichtes geht wieder ein Stück Humboldtscher Bildungstradition verloren. Das Niveau sinkt in Richtung „Fack ju Göhte“ – ein Armutszeugnis!

Dr. Robert Romming, Roth