© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/22 / 16. September 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Richterliche Klatsche
Alexander Graf

Eigentlich soll die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft (DPG) in Berlin ein Ort des ungezwungenen Austauschs für aktuelle und ehemalige Bundestagsabgeordnete sein. Gemäß der Ursprungsidee der 1949 in Bonn gegründeten Institution dient sie zum Parlieren über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg – und das ohne unerwünschte Journalisten, die ihre Beobachtungen und aufgeschnappten Gesprächsinhalte womöglich verbreiten. Der feine Club mit Sitz im ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais soll ein Rückzugsort vom täglichen Parteienhader und Berliner Polit-Alltag sein. 

Doch so harmonisch ging es in und um die Gesellschaft in den vergangenen Monaten nicht zu. Hintergrund ist ein Streit um die Neuwahl des DPG-Vorstandes. Von den ursprünglichen Gepflogenheiten abweichend sollte dort die AfD nach dem Willen der anderen Parteien keinen der Stellvertreterposten besetzen. Dazu bedienten sich deren Vertreter im Frühjahr einer vorgefertigten Wahlliste und übergingen den vorgeschlagenen AfD-Kandidaten Malte Kaufmann (JF 19/22). Per Abstimmung wurde kurzerhand entschieden, daß dieser nicht ins Rennen geschickt werden dürfe. Warum und wieso – dazu wollte sich der Geschäftsführer der DPG seinerzeit auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT nicht äußern.

Kaufmann und AfD-Fraktionsvorstand Stephan Brandner sahen ihre Rechte als DPG-Mitglieder verletzt und klagten. Am Dienstag fällte das Amtsgericht Berlin-Mitte sein Urteil – und siehe da:  Die Vorgehensweise mit den geschlossenen Listen war nicht rechtmäßig. So untersagten die Richter der DPG per einstweiliger Verfügung, den neuen Vorstand ins Vereinsregister einzutragen und seine Geschäfte aufzunehmen. 

Für Brandner, Justitiar der AfD-Bundestagsfraktion, ist das „Wahldesaster“ der DPG „an Peinlichkeit kaum zu überbieten“. So seien „langgediente Abgeordnete und viele ausgebildete Juristen“ nicht in der Lage gewesen, „eine ordnungsgemäße Wahl“ abzuhalten. Die AfD habe der Vereinsführung beibringen müssen, „wie eine Wahl nicht stattzufinden hat“, kommentierte er die Angelegenheit. 

Sein Kollege Kaufmann wertete das Urteil als „ein weiteres Stoppschild gegen die Ausgrenzung von AfD-Kandidaten mittels undemokratischer und unrechtmäßiger Tricks“. Die Sache hat ihm zufolge eine ernste Seite: „Das gewonnene Verfahren zeigt einmal mehr, daß Demokratie in Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist und wir sie aktiv verteidigen müssen.“ 

Nun ist abzuwarten, wie die DPG mit der juristischen Niederlage umgeht. Ob das der Stimmung in den gediegenen Räumen am Friedrich-Ebert-Platz Abbruch tut? Soviel ist sicher, ihrem Ruf als Störenfried wurde die AfD wieder gerecht. Dabei zeigt sich, wie selbst bei scheinbar unbedeutenden Abläufen im politischen Berlin gegen demokratische Spielregeln verstoßen wird und diese ausgehebelt werden sollen, um der ungeliebten Konkurrenz eins auszuwischen. Doch in dem Fall präsentierte der Richter die Rechnung zum Schluß.