© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/22 / 16. September 2022

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Der Eindruck, daß Elisabeth II. „irgendwie“ auch Königin von Deutschland war, hat sich seit ihrem ersten Staatsbesuch im Jahr 1965 nie mehr verloren. Ob „Trooping the Colour“ oder Regierungsjubiläum, royale Hochzeiten oder irgendwelche Skandale um die mißratenen Glieder der Dynastie, Illustrierte und Fernsehen berichteten und das Publikum dankte es ihnen, kommentierte, spekulierte und nahm Partei. Dagegen mag der eine oder andere seinen „republikanischen Affekt“ (Jürgen Kaube) pflegen. Diese Art von Herzensmonarchismus ist durch keinen Modernisierungsschub aus der Welt zu schaffen. Vorbei sind allerdings die Zeiten, als das Institut für Demoskopie eine Zustimmung von 32 Prozent der Befragten für eine Restauration feststellte, der Bayerische Heimat- und Königsbund oder der Welfenbund gesellschaftliche Größen waren und bei der Eheschließung des Erbprinzen Ernst August von Hannover mit Prinzessin Ortrud von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg im Herbst 1951 zweihunderttausend Hannoveraner die Straßen säumten und ein veritabler Bundesminister – Heinrich Hellwege von der Deutschen Partei – auf das Wohl des Brautpaars toastete und in aller Öffentlichkeit erklärte, daß die Niedersachsen „niemals aufhören werden, in Liebe und Treue fest zum alten angestammten Fürstengeschlecht zu stehen“.

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Auf der New Yorker Fashion Week ist unter öffentlichem Beifall Noël/Noëlla McMaher als jüngstes – zehnjähriges – Transgender-Model aufgetreten. Als seine „Eltern“ wollen Dee und Ray McMaher betrachtet werden; beide als Frauen geboren, halten sie sich für männliche Transsexuelle. Nach Presseberichten arbeitet Ray McMaher als Erzieherin für Transgender-Kinder, Dee als Rechtsberaterin für LGBTQ-Angelegenheiten. Ihren Angaben zufolge soll Noëlla bereits mit zweieinhalb Jahren erklärt haben, im „falschen Körper“ zu stecken. Beide scheinen noch ein weiteres kleines Kind „nicht binär“ zu erziehen, von dem es Fotos gibt, die es mit einem Pullover zeigen, auf dem „Ohne Geschlecht ist es besser“ steht. In Modekreisen wird darauf hingewiesen, daß Noël/Noëlla eine große Zukunft bevorstehen könnte und ihr beziehungsweise ihren Eltern Einnahmen in Millionenhöhe winken.

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Bildungsbericht in loser Folge: Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung – Ausgabe vom 7. September – hat Wolfgang Schimpf eine Bestandsaufnahme des niedersächsischen Schulwesens vorgenommen. Seine Bilanz fällt vernichtend aus: bestenfalls Stillstand, in der Regel Niedergang, Kapitulation im Hinblick auf die Vermittlung von Wissen und Kulturtechniken, Überlastung der Lehrer, umfassende Bürokratisierung auf allen Ebenen, Erstickung der Pädagogik durch alle möglichen sachfremden oder sinnlosen Anforderungen, rituelle Klagelieder der politisch Verantwortlichen, die aber entweder unfähig oder unwillens sind, die Lage zu ändern. Man wird Schimpf kaum widersprechen können, auch nicht seiner Feststellung, daß die Fehlentwicklung teilweise seit Jahrzehnten anhält. Was allerdings einen etwas unangenehmen Beigeschmack hinterläßt, ist die Tatsache, daß er selbst in dieser Zeit ein Göttinger Gymnasium geleitet hat. Er reiht sich damit in die ständig wachsende Schar jener höheren und hohen Beamten, Richter und Offiziere ein, die – kaum in den Ruhestand getreten – mit einer Klarheit das Ausmaß des Desasters erkennen, vor dem sie – noch im Dienst – die Augen oder den Mund verschlossen haben. Entweder weil sie Angst um das eigene Fortkommen hatten oder so in das „System“ eingebunden waren, daß sie nicht wahrnahmen, was direkt vor ihrer Nase geschah.

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Es war schon irritierend, daß sich das Beklagen des wachsenden Übergewichts beim Durchschnittsbürger parallel zur Kampagne gegen Magersucht entwickelte. Heute hat man es mit Propaganda für „Body Positivity“ zu tun, während Adipositas zu einem Massenphänomen wird.

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Man sieht einen Trupp linker Demonstranten, die gewaltsam gegen eine Kette von Polizisten vorgehen. Sie zeigen Plakate, darauf das Bild eines Vierzehnjährigen mit Migrationshintergrund, der bei einem Einsatz erschossen worden war. Ihr Schlachtruf: „Polizisten sind Mörder!“ Dann zündet ein Vermummter einen Molotowcocktail und schleudert ihn gegen die Polizisten. Ein Beamter wird getroffen und durch das Feuer lebensgefährlich verletzt. Mit diesen Szenen beginnt die letzte Folge der aktuellen Staffel der schwedischen Krimireihe „Kommissar Beck“. Die Ermittlungen führen naheliegenderweise in die Szene des Schwarzen Blocks. Aber der routinierte Zuschauer läßt sich so nicht in die Irre führen. Er weiß selbstverständlich, daß der Plot keinen linken Täter erlaubt. Und wie erwartet, ist es zuletzt ein Polizist mit faschistoiden Auffassungen, der die Verantwortung trägt, von einem aalglatten Karrieristen gedungen, der eine „Strategie der Spannungen“ verfolgt, um die Spaltung der Gesellschaft voranzutreiben und dem Tiefen Staat mehr Macht zu verschaffen. Daß der Mörder am Schluß von einem alternden Anarchisten aus der ACAB-Fraktion überwältigt wird, erscheint allerdings selbst dem überzogen, der sich längst an die Wirklichkeitsfremdheit und den „heimlichen Lehrplan“ der Unterhaltungsindustrie gewöhnt hat.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 30. September in der JF-Ausgabe 40/22.