© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/22 / 16. September 2022

Hiobsbotschaft aus dem Paradies
Kino II: Julia Roberts und George Clooney buchen ein „Ticket ins Paradies“
Dietmar Mehrens

Die beiden ehemaligen Eheleute David (George Clooney) und Georgia (Julia Roberts) verbindet eine abgrundtiefe Abneigung. „Es begann wie etwas Irreales. Und dann wurde es real“, erklärt David lakonisch das Scheitern seines Bundes fürs Leben mit Georgia. Er hielt nur fünf Jahre.

Als ihre gemeinsame Tochter Lily (hinreißend: Kaitlyn Dever) ihren College-Abschluß feiert, sitzen die Entzweiten infolge eines Versehens im Hörsaal nebeneinander – eine Zumutung für beide. Beim Abschied sagt sie: „Auf Nimmerwiedersehen.“ Und er: „Nimmer wäre immer noch zu früh.“ Doch es kommt anders.

Lily belohnt sich für ihr bestandenes Jura-Examen mit einem Traumurlaub auf Bali. Und von dort flattert den Geschiedenen wenig später eine übereinstimmend als Hiobsbotschaft aufgefaßte Einladung zur Hochzeit ins Haus: Ihre geliebte Tochter will einen Indigenen ehelichen! Georgia und David nehmen die Einladung zwar an, aber nur, um Lily vor einer folgenschweren Fehlentscheidung zu bewahren und die Eheschließung zu hintertreiben. Immerhin wissen sie aus eigener Erfahrung, was passieren kann, wenn man in der Euphorie jugendlicher Verliebtheit übereilt ja sagt.

Ol Parker, der schon mit dem Abba-Musical „Mamma Mia! Here We Go Again“ (2018) einen sonnendurchfluteten Gute-Laune-Film abgeliefert hat, konnte sich bei der Inszenierung seiner romantischen Komödie neben spritzigen Dialogen vor allem auf sein hervorragend aufgelegtes Ensemble verlassen. Zwischen Clooney und Roberts, die schon für „Ocean’s Eleven“ (2001) gemeinsam vor der Kamera standen, stimmt die Chemie, und das merkt man jeder Szene an.

Geradezu beglückend ist darüber hinaus das Gefühl, daß der Regisseur weder Quoten noch Korrektheitsgebote zu erfüllen sucht. Im Gegenteil: Georgia gibt in einer Szene zu, daß eine Selbstverwirklichungsneurose für das Scheitern ihrer Ehe mit David verantwortlich war. Und Lily ist bereit, ihre Karriere als Anwältin zugunsten eines rustikalen Lebens an der Seite eines Mannes zu opfern, der sein Geld mit der Ernte von Seegras verdient. Mehr Absage an westliche Emanzipationsideale geht kaum. 

Seine Kamera hat der gebürtige Londoner an Originalschauplätzen auf Bali sowie an der australischen Goldküste Bilder von berückender Schönheit einfangen lassen, durch die man sich phasenweise versetzt fühlt in eine Episode aus dem „Traumschiff“. Und nur die Starbesetzung in Gestalt des zu Hochform auflaufenden Hollywood-Traumpaars täuscht darüber hinweg, daß auch die Geschichte, die Parker dem Zuschauer in „Ticket ins Paradies“ auftischt, nicht mehr Tiefgang hat als der alte ZDF-Unterhaltungsdampfer. Aber wer braucht schon Tiefgang, wenn er Clooney und Roberts an Bord hat.

Kinostart ist am 15. September 2022