© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/22 / 16. September 2022

Zeitgeistübel mit Witz
Netflix-Serie: CableCash ist nicht Wirecard, und doch ist „King of Stonks“ einen Blick wert
Marc Schmidt

Fernsehen aus Deutschland ist platt, links und belehrend. Wer weiß, männlich, Verbindungsstudent, Unternehmer und Manager ist, vertritt ohne eigenes Zutun in jeder TV-Produktion alles Schlechte, wenn nicht gar den Mörder. Entsprechend skeptisch darf man die Netflix-Serie „King of Stonks“ angehen, die laut den Vorschußlorbeeren einiger Medien und der Eigenwerbung angeblich auf dem Wirecard-Skandal basieren soll.

Aus dem mafiösen Zahlungsdienst wurde die CableCash AG. Die beiden männlichen Hauptdarsteller führen eine „toxische“, sehr klischeehafte Beziehung und tätigen üblicherweise – wie das milliardenschwere Vorbild – bilanzverfälschende Geschäfte in Asien. Von diesen und ein paar weiteren äußeren Bedingungen abgesehen war es das aber mit den sachlichen Ähnlichkeiten, denn gemäß den Produzenten sind die wirtschaftlichen Zusammenhänge zu kompliziert für den einfachen Zuschauer. Die Darstellung der Personen und deren Entwicklung steht im Vordergrund.

Die Vorlage wird genutzt, um Männer zu diskreditieren

Selbstverständlich weist „King of Stonks“ fast alle Zeitgeistübel auf. Die Schauspielertruppe ist demonstrativ divers und erinnert an die Praktikantenküche eines linken Jugendclubs in Berlin-Mitte. Natürlich werden auch sonst alle Stereotype inklusive der Studentenverbindungen bedient und durch eine belehrende Stimme bei der betont negativen Vorstellung aller Personen hervorgehoben.

Das Ergebnis ist eine ausgedachte Geschichte, von der die meisten Zuschauer aber aufgrund der Werbung fälschlicherweise annehmen werden, daß sie den skandalösen Zahlungsdienstleister darstellt. Wer allerdings seine berechtigte Kritik an der Serie auf diesen Punkt beschränken möchte, tut der Produktion tatsächlich unrecht.

Alle männlichen Charaktere – vom österreichischen Geheimdienstler über Pornoproduzenten zum dubiosen Kontaktmakler – sind durchweg faule, selbstüberschätzende, korrupte und kriminelle Manager, Wirtschaftsprüfer und Politiker. Sie werden durchweg negativ als triebgesteuert, verschlagen dargestellt. Allein der Aufklärungsjournalist stellt in der Männerriege hin und wieder eine Ausnahme dar.

Der CableCash CEO, genannt Magnus Cramer, wird vorgestellt als „unscheinbarer Manager, der die ersten 40 Jahre seines Lebens ein Verlierer gewesen ist und sich vorgenommen hat, die zweiten 40 Jahre ein Gewinner zu sein“. Sein wirtschaftlicher Partner und Gegenspieler im Unternehmen, der COO Felix Armand, darf sich selbst durch ein Zitat diskreditieren, das ihn als komplexbelasteten Aufsteiger und Nerd darstellt: „Menschen sind ein Haufen Primaten, alle wollen ficken und keiner gefickt werden.“ So weit, so tiefgründig.

Diese vorgeprägten Bilder, die wahrscheinlich den Erwartungen der deutschen Subventionsempfängerblase des Managements entsprechen, werden schauspielerisch untermalt durch Sprachfehler, Drogenkonsum, Furzgags und einen Glauben an Esoterik und Yoga.

Die Männer stehen im Gegensatz zu allen ernsthaften Gegenspielern der beiden CableCash-Chefs, die sämtlich weiblich, als selbstbewußt, erfolgreich und intelligent skizziert werden. Dies gilt insbesondere für die zentrale weibliche Figur Amira Wallace, die – wer hätte es erwartet – schwarz ist. Sie ist aus einfachen Verhältnissen über Affären mit Journalisten, Investoren und Armand aufgestiegen und nutzt gezielt Schwächen der Männer aus.

Trotz dieser anstrengenden Elemente gibt es Aspekte der Serie, welche sie zugleich von der Realität des Wirecard-Falls unterscheiden. Am Ende gewinnen in der Serie Cramer und Armand, die mit ihrer CableCash AG alle Angriffe auf ihren Aktienkurs abwehren und weiter Mafiageld sowie illegale Gewinne der Pornobranche waschen.

Die Verlierer sind der korrupte Journalist, der wegen Kursmanipulation verhaftet wird, und Amira Wallace, deren Spekulationen gegen den Aktienkurs von CableCash gleich zweimal mit einem wirtschaftlichen Totalverlust enden.

Strahlende Helden, Tatortkommissare oder real belehrende Gutmenschen: Fehlanzeige. Im Ergebnis kommt die Serie also ohne moralischen Zeigefinger aus, was sie trotz aller Schwächen doch recht wohltuend von öffentlich-rechtlichen Produktionen unterscheidet und die üblichen Magenschmerzen erspart. Es bleibt das Versprechen passabler seichter, wenig anspruchsvoller, aber durchaus etwas humoristischer Unterhaltung, wenn man eben nicht das erwartet, was die Werbung suggeriert, nämlich eine Krimiserie nach Vorlage des Wirecard-Skandals. 

„King of Stonks“ ist eine halbwegs lustige Beschäftigung an einem Sonntagnachmittag, wenn man am Sonnabend eine Verbindungskneipe als letzter Zecher verlassen hat. Keine Leichen, kein Blut, kein Sex, ein paar nette Dialoge und ein Antiheld, der alle anderen Bösen besiegt, um bei dem für eine Fortsetzung ausgelegten offenen Ende einen neuen Endboß präsentiert zu bekommen.

Foto: Alle Blicke auf den weißen Mann: Doch auch weibliche Gegenfiguren haben Fehler