© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/22 / 16. September 2022

Ein Todesvogel für Millionen
Im Herbst 1942 hatte der US-Atom-Bomber B-29 Jungfernflug
Thomas Schäfer

Wie kaum ein anderes Flugzeug der Welt hat die Boeing B-29 Superfortress Militärgeschichte geschrieben und zugleich auch für unzählige Luftkriegstote gesorgt: Die B-29 „Enola Gay“ und „Bockscar“ warfen die ersten beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, während weitere Maschinen des gleichen Typs fast alle großen japanischen Städte in Schutt und Asche legten und dann später auch im Korea-Krieg Einsätze gegen die Zivilbevölkerung flogen. Bei all dem kamen insgesamt weit mehr als eine Million Menschen ums Leben.

Der Erstflug des Prototyps XB-29 41-2 fand am 21. September 1942 statt. Die viermotorige Maschine, welche fähig sein sollte, eine bis zu neun Tonnen schwere Bombenlast über mehr als 5.000 Kilometer ins Ziel zu tragen, startete vom Boeing Field in Seattle. Am Steuer saß der Boeing-Cheftestpilot Edmund T. Allen, welcher dann am 18. Februar 1943 beim Absturz des zweiten Prototyps starb.

Die United States Army Air Forces (USAAF) bestellten alles in allem 3.970 B-29 zum Stückpreis von etwa 640.000 US-Dollar. Die Bomber wurden während des Zweiten Weltkriegs ausschließlich auf dem pazifischen Kriegsschauplatz und von der Twentieth Air Force unter General Henry H. Arnold eingesetzt.

Ihre Feuertaufe erlebte die B-29 am 5. Juni 1944, als die 58th Very Heavy Bombardment Wing von ihren indischen Basen aus zu Angriffen auf Eisenbahnanlagen in Thailand startete. Dem folgten am 15. Juni Bombenabwürfe auf Yawata, mit denen der strategische Luftkrieg der USAAF gegen Japan begann. Dieser wurde dann noch deutlich intensiviert, als die Twentieth Air Force auch über Flugplätze auf den nördlichen Marianen-Inseln verfügte. Von hier aus unternahmen Arnolds Maschinen 25.500 Einsätze zur Zerstörung japanischer Wohnsiedlungen und Rüstungsbetriebe. Dabei gingen insgesamt 772 B-29 verloren, wobei die Ursache hierfür zumeist ein Flugunfall und nicht Feindeinwirkung war. Letztlich holten die Japaner lediglich 74 der Bomber vom Himmel – sieben davon alleine das Jagdflieger-Ass Makoto Ogawa mit seiner Nakajima Ki-84 Hayate.

Einen erneuten Aderlaß erlitt die B-29-Flotte im Korea-Krieg. Während weiterer 21.300 Einsätze des Langstreckenbombers schossen die im Luftkampf deutlich überlegenen düsengetriebenen MiG-15-Abfangjäger des Gegners Dutzende Maschinen ab, weswegen die Bombenangriffe schließlich eingestellt werden mußten. Allerdings blieben einige B-29 noch bis zum Jahre 1960 im Dienst. Denn der viermotorige Riese fungierte nicht nur als strategischer Bomber, sondern auch als Tanker, Seenotretter, Aufklärer, Wetterbeobachter und Träger für das raketengetriebene Forschungsflugzeug Bell X-1, das am 14. Oktober 1947 mit Charles Yaeger am Steuer erstmals im Horizontalflug die Schallmauer durchbrach.