© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/22 / 16. September 2022

Umwelt
Niedrige Arbeitsleistungen
Jörg Fischer

Im Sommer kletterte das Thermometer oft weit über 35 Grad. Im pfälzischen Bad Kreuznach wurden am 4. August 39,6 Grad gemessen. Das vertragen viele Mitteleuropäer nicht, doch Klimaanlagen gelten als Luxus. Hitzewellen bringen Gesundheitsgefahren und ein Phänomen, vor dem die Deutsche Hochdruckliga warnt: Die Blutgefäße erweitern sich, der Blutdruck sinkt, und wer wenig trinkt und Blutdrucksenker nimmt, den quälen Schwindel und Schwächeanfälle. Doch das Gegenteil ist gefährlicher: Bei Kälte ziehen sich die Blut- und Herzkranzgefäße zusammen, das Herz muß gegen einen höheren Widerstand pumpen – der Bluthochdruck verursacht Herzinfarkt und Schlaganfall. Und in diesem Winter dürfte das Sterberisiko steigen, wenn sich Risikopatienten an die von Ampel- und Unionspolitikern verlangten Heizempfehlungen halten – oder halten müssen.

Unterhalb von 19 Grad wird es nicht nur für ältere Menschen und Vorerkrankte gesundheitlich kritisch.

„In Innenräumen sind 20 bis 22 Grad für das Wohlbefinden und letztlich auch das gesundheitliche Befinden optimal“, das sagt kein Warmduscher, sondern Heinz-Jörn Moriske, Lufthygieniker und Direktor beim Umweltbundesamt. Unterhalb von 19 Grad werde es speziell für Ältere kritisch. Der Schimmelbefall sollte nicht nur Asthmatikern Sorge bereiten. Aber die Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSikuMaV) von Robert Habeck verlangt Frösteln: In Arbeitsräumen sind für „mittelschwere und überwiegend sitzende Tätigkeit“ maximal 18 und für „körperlich schwere Tätigkeit“ nur noch zwölf Grad erlaubt. Die erhöhte Erkältungsgefahr zählt wohl zum „persönlichen Opfer“, das Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) einfordert. Doch dem grünen Wirtschaftsminister sollte eine dänische Metastudie von 2021 zu denken geben: Ein Arbeitsklima von 22 bis 24 Grad sei hierzulande optimal, „sowohl höhere als auch niedrigere Temperaturen können die Leistungen und die Lerneffizienz verschlechtern“. Und auch das gefürchtete Coronavirus fühlt sich beim Strack-Habeck-Bibbern pudelwohl.

„Health, work performance, and risk of infection in office-like environments“: doi.org/10.1016/j.ijheh.2021.113709