© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/22 / 16. September 2022

Mach kein Auge auf mein Para, du PiÇ
Deutschrap und türkische Begriffe beeinflussen die Jugendsprache
Gil Barkei

Anglizismen und Gendersprech sorgen regelmäßig für Aufregung und hitzige Diskussionen in der Öffentlichkeit. Doch jenseits von Sternchen, Binnen-Is und englischen Wörtern hat sich insbesondere bei jungen Menschen längst ein neuartiges Vokabular etabliert, das mehr von Deutschrap, Straßenslang und multikulturellen, islamischen Milieus geprägt ist als von linker Geschlechterideologie oder US-amerikanischem Kulturimperialismus. Die JF erklärt einige zentrale Begriffe, damit Sie die nächsten Unterhaltungen unter Jugendlichen in Bus, Bahn und Shisha-Bar verstehen können.





Para

Wer möchte nicht ordentlich Para machen? Dabei handelt es sich um die neueste Ergänzung einer langen Wortsammlung: Zaster, Moos, Knete, Schotter, Kohle, Kies, Moneten, Scheine, Cash. Para heißt auf türkisch schlicht und ergreifend Geld, und ist aus kaum einem Rapsong wegzudenken. Im Osmanischen Reich war Para eine Währungseinheit, die in einigen europäischen Ländern noch immer von Bedeutung ist. 100 Para bilden zum Beispiel einen serbischen Dinar.





Auge machen 

„Was guckst du?“ ist von vorgestern. Heute heißt es „Mach kein Auge!“ Die negativ behaftete Redewendung „Auge machen“ kommt dabei aus dem arabischen Raum und bedeutet eifersüchtig/neidisch sein und dementsprechend etwas verlangend anstarren. Dies kann ein Auto, ein Kleidungsstück, aber auch eine Frau sein.





Ich küsse dein Auge / dein Herz

Dieses fast schon schmachtende Kompliment stammt ebenfalls aus dem türkischen und arabischen Kulturkreis, der für seine teils blumigen Wortkonstellationen bekannt ist. Es drückt (tiefen) Dank aus, kommt aber auch salopper in alltäglichen Situationen vor wie eine zugestandene Vorfahrt oder ein ausgegebenes Getränk.





Ott

Für Marihuana beziehungsweise Cannabis gab es seit jeher eine Vielzahl an Begriffen: Gras, Weed, Pot, Ganja. Ott ist wohl der jüngste Spitzname für die beliebte Droge. Das Wort kommt aus dem Türkischen und bedeutet soviel wie „Kraut“, „Unkraut“ oder „Gras“.





Auf den Nacken gehen

„Geht das Steak auf deinen Nacken?“: Keine Sorge, Sie bekommen nicht gleich einen Fleischbatzen gegen den Hals geklatscht. Mit der Redewendung ist eine stinknormale Einladung gemeint. „Die Getränke gehen auf meinen Nacken“ heißt nichts weiter, als daß Sie die Runde bezahlen.





Abi

Wer jetzt an einen Schulabschluß denkt, der zum Zugang zu einer Universität berechtigt, liegt hier völlig falsch. Der Abi ist im türkischen Kulturkreis der große Bruder beziehungsweise der älteste Bruder in einer Familie, zu dem man aufschaut und den man respektvoll zu behandeln hat, der aber auch seine jüngeren Geschwister beschützt und anleitet. Umgangssprachlich wird Abi oft anerkennend für (teilweise prominente) Personen verwendet, die auf ihre Freunde, Kollegen, ihre Fanbasis oder ihre Nachbarn achtgeben, großzügig oder freundlich sind und mit mehr oder weniger weisen Ratschlägen Orientierungspunkte und Unterstützung bieten. Alexander Gauland ist so beispielsweise im übertragenen Sinn Gauland Abi der AfD.  





Piç

Nein, dabei handelt es sich nicht um saftiges Obst und einen weiteren bösen Anglizismus, auch wenn einige Nutzer in den sozialen Medien fälschlicherweise oft „peach“, also Pfirsich schreiben. Piç ist türkisch und bedeutet Bastard, ersetzt aber in seiner Drastik der Beleidigung häufig das bereits abgedroschene „Hurensohn“.