© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/22 / 23. September 2022

Ländersache: Sachsen
Friede dem Grün, Krieg den Garagen
Paul Leonhard

Garagen sind in Dresden Wohlfühlorte. Dazu muß man nur einmal deren Besitzer beobachten, wie sie unter den Blicken der Nachbarn ihre Autos liebkosend waschen, Erfahrungen austauschen, auf Bierkisten hocken und Skat spielen oder nur klönen. Dabei beherbergt nicht jede Garage ein Auto. Viele sind auch zu Werkstätten oder Partyräumen zweckentfremdet.

Aber wenn sich Menschen zu wohl fühlen, ruft das auch in Sachsens Landeshauptstadt die Politik auf den Plan, speziell die linke Stadtratsmehrheit. Sie will die meist vor einem halben Jahrhundert auf Trümmergrundstücken entstandenen Garagenkomplexe abreißen und deren Nutzer vertreiben. Die Grünen haben das von langer Hand geplant, wie eine jetzt in die Öffentlichkeit gelangte „Potentialanalyse“ des Baubürgermeisters beweist.

Deren Ergebnis überrascht wenig: Sechs Standorte mit insgesamt 335 Garagen eignen sich demnach hervorragend für den kommunalen und 49 Standorte mit 615 Garagen für den individuellen Wohnungsbau. Außerdem sind auch verschiedene Fachämter interessiert. Sie meldeten bei 58 Standorten mit 765 Garagen Eigenbedarf an. Um der immer dichter bebauten Stadt neues Grün zu schenken, sollen weitere 40 Garagenkomplexe mit 250 Garagen komplett verschwinden. Lediglich 415 Garagen, die sich auf weitere 62 stadteigene Grundstücke dies- und jenseits der Elbe verteilen, wurde eine Gnadenfrist von zehn Jahren gewährt.

Daß die Stadt gerade jetzt aktiv wird, ist keine Folge der Inflation, sondern hängt mit der kommende Woche auslaufenden Investitionsschutzfrist zusammen, einer Sonderregelung für die neuen Länder. Denn in der einstigen DDR war es üblich, Wochenendhäuser oder eben Garagen auf gepachteten Flächen zu errichten. Im – seit 1990 wieder in ganz Deutschland geltenden – Bürgerlichen Gesetzbuch ist das nicht vorgesehen.

Von Widerstand seitens der Betroffenen ist noch nichts zu spüren. Dabei könnte dieser nützlich sein. Denn die grüne Vorlage wird demnächst erst in den städtischen Gremien beraten, bevor der Stadtrat wohl im März kommenden Jahres entscheidet. Auf die CDU sollten die Dresdner dabei nicht setzen. Denn im nahen Thüringen war es mit Johannes Selle ein CDU-Bundestagsabgeordneter, der der Stadtverwaltung von Jena einen Weg aufzeigte, wie sie ihr bereits im Oktober 2016 beschlossenes „Garagenentwicklungskonzept“ finanzieren kann. Dieses sieht die Renaturierung, Aufgabe oder Wohnungsbebauung für die Hälfte der dortigen kommunalen Garagenstandorte mit rund 2.200 Garagen vor. Selle lieferte der klammen Kommune den Hinweis auf das Bundesprogramm zur „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“.

Gespeist aus dem Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ können bis 2024 Mittel für Investitionen in Projekte „mit hoher Wirksamkeit für Klimaschutz“ abgerufen werden. Und das sind ja „grüne Klimaoasen im urbanen Stadtraum“ schließlich. Wird die Fläche sogar ganz entsiegelt, werden 90 Prozent der Kosten erstattet. Aus Mitteln der Steuerzahler. Die Garagenmieter bezahlen also, sofern sie steuerpflichtig sind, anteilig die Vertreibung aus ihren Wohlfühloasen mit.