© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/22 / 23. September 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Die größten Kritiker der Elche …
Paul Rosen

Zuletzt wurde noch der „Bundesverband Schwimmbad und Wellness e.V.“ in das Lobbyregister beim Bundestag aufgenommen. Dort sind jetzt 28.985 Interessenvertreter registriert. So soll mehr Transparenz in den Berliner Verbände-Dschungel gebracht werden, was besonders auf den Druck der Grünen zurückgeht. Deren damalige Parteichefin Simone Peter kritisierte 2017, es bestehe eine „unerträgliche Verfilzung zwischen Politik und Wirtschaft“. 

Die gibt es inzwischen tatsächlich, aber in anderer Hinsicht: So befragen in Anhörungen des Bundestages Abgeordnete aus der Koalition regelmäßig Experten, die in Wirklichkeit grüne Parteigänger sind, inzwischen aber ihren Platz in Lobby-Organisationen gefunden haben. Jüngstes Beispiel ist eine Anhörung zum Gasverbrauch, wo die Öffentlichkeit mit keinem Wort darüber informiert wurde, daß die als Expertin vorgestellte Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae, früher für die Grünen im Bundestag saß.

Die Zeiten, in denen Lobbyisten für Unternehmer mit Bargeld im Briefumschlag für „politische Landschaftspflege“ sorgten („Flick-Affäre“), sind  Geschichte. Heute kennt und schätzt man sich aus der Anti-Atomkraft-Bewegung. So werden in der Energiekrise den Bundesbürgern lebhafte Debatten vorgeführt, die in Wirklichkeit eine grüne Innenschau sind. Wenn sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen mit den Entlastungsmaßnahmen der Koalition beschäftigt, dann sollte man wissen, daß diese Organisation von Ramona Pop geleitet wird, der früheren grünen Wirtschaftssenatorin von Berlin.

Bei Greenpeace ist die Nähe zur grünen Partei bereits im Namen ersichtlich. Es wundert nicht, daß dort mit Georg Kössler ein früherer Berliner Grünen-Abgeordneter als „Leiter Politik“ fungiert. Und wenn es im Finanzausschuß des Bundestags um Steuerthemen, Banken, Versicherungen und Verbraucherschutz geht, ist oft die „Bürgerbewegung Finanzwende“ vor Ort, die vom ehemaligen Grünen-Abgeordneten Gerhard Schick geleitet wird.

Ebenso undurchsichtig ist das Treiben bei staatlichen Organisationen. Wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Vorschlag macht und dafür Beifall von der Bundesnetzagentur bekommt, sollte man wissen, daß sich deren Präsident Klaus Müller und Habeck aus dem schleswig-holsteinischen Landesverband der Grünen kennen. Manche Posten werden geradezu parteiintern vererbt: Müller war vor Pop beim Verbraucherzentralen-Bundesverband.

Die SPD ist zwar in Sachen Lobbyismus bei weitem nicht so gut aufgestellt wie die Grünen, aber wenn Arbeitsminister Hubertus Heil einen Vorschlag präsentiert, kann er beim Deutschen Gewerkschaftsbund auf Milde hoffen. Dessen Chefin Yasmin Fahimi saß früher für die SPD im Bundestag. 

So entsteht das Bild einer breiten gesellschaftlichen Diskussion in Berlin, während in Wirklichkeit nur die rot-grüne Suppe neu umgerührt wird. Und selbst Lobby-Kritikerin Simone Peter ist heute Vorsitzende des Bundesverbandes Erneuerbare Energien.