© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/22 / 23. September 2022

Grüße aus … Paris
Männlichkeit im Barbecue
Katharina Puhst

Morgendämmerung in Frankreich. Gerade in Zeiten des sogenannten Klimawandels, wo die Gedanken um die Einschränkung des Konsumverhaltens sowie Ressourcenverbrauchs kreisen, erhitzte die Grünenabgeordnete und Ökofeministin Sandrine Rousseau in einem Interview während der Sommeruniversität der linken Partei La France insoumise die Gemüter. Dort forderte die 50jährige einen „Mentalitätswandel“, damit „das Essen eines auf einem Grill zubereiteten Entrecôte nicht mehr ein Symbol der Männlichkeit“ sei.

Die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten. Thierry Coste, ein Lobbyist der Jagd- und Wurstindustrie, erklärte auf RTL: „Ich bin nicht einmal mehr von Rousseau genervt. Sie sagt so viel Unsinn“, erklärte er. „Sie ist gegen die Jagd, gegen Männer, gegen alles.“

Parallel dazu teilten wütende Franzosen über die sozialen Netzwerke zahlreiche Selfies mit Steaks in allen Varianten. Innerhalb weniger Stunden hatte die Politikerin das Bildmaterial für eine Enzyklopädie zu Fleischwaren beisammen. „Verstehen Sie das Gefühl der Stigmatisierung?“ fragte sie daraufhin eine Journalistin der Zeitung Le Figaro. „Einige haben sich individuell angegriffen gefühlt, dabei ist das, was ich anprangere, eine soziale Struktur, ein Dominanzverhältnis“, antwortete die Abgeordnete und geißelte den „identitären Reflex, sich hinter einem Grill zu fotografieren“.

Man ist eben, was man ißt, denkt der Franzose, wenn er seinem Kinde das Schnitzel hinschiebt.

Auch wenn Fleisch seinen Teil zum CO2-Ausstoß beiträgt, gehört es für die Franzosen auf den Teller! Erderwärmung hin oder her. Tatsächlich findet sich das vom englischen „Beefsteak“ abgeleitete „Bifteck“ mit Pommes auf jeder Speisekarte wieder. Von den Garstufen „gut durch“ bis hin zu „stark blutig“ wird jedem Gaumen Wonne versprochen. Doch auch Hacksteak, Tartar oder Carpaccio gehören zu den großen Klassikern. 

Der Fleischverzehr beläuft sich jährlich pro Kopf auf 85 Kilogramm, wie es die frisch veröffentlichte Statistik des französischen Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft belegt. Also 30 Kilogramm mehr als der deutsche Durchschnitt. 

Ein Hinweis dafür mag im Mythos des Biftecks liegen, wie ihn der Philosoph Roland Barthes 1951 in seinem Werk „Mythen des Alltags“ beschreibt. Demzufolge nach ist das Blut des Fleisches Herz. Das Fleisch in seiner Rohform, bei dessen Verzehr die Kraft des Rindes in den eigenen Körper übergeht, entpuppt sich somit als Sinnbild für Leben und Dynamik. Dazu gehöre noch ein guter Wein und guter Käse, wie Fabien Roussel, Nationalsekretär des Parti communiste français, die französische Gastronomie Anfang des Jahres kurz und prägnant zusammenfaßte. 

Man ist eben, was man ißt, denkt der Franzose, wenn er seinem Kind das Schnitzel hinschiebt: „Damit du groß und stark wirst!“