© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/22 / 23. September 2022

Teure Symbolpolitik bringt die Staatswirtschaft zurück
Treuhandverwaltung: Die Bundesregierung hat dem russischen Ölkonzern Rosneft seine Anteile an drei deutschen Großraffinerien entzogen
Jörg Fischer

Petr Fiala ist nicht als „Putin-Versteher“ verschrien. Der tschechische Premier reiste am 15. März mit Mateusz Morawiecki (Polen) und Janez Janša (Slowenien) zu einem Solidaritätsbesuch ins belagerte Kiew. Der 58jährige Rechtsliberale forderte schon vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli Waffenlieferungen an die Ukraine und schärfere Sanktionen gegen Rußland. Doch beim EU-Ölembargo setzte er, zusammen mit Viktor Orbán (Ungarn) und Eduard Heger (Slowakei), Vernunft durch – schließlich wird die Hälfte des tschechischen Erdölbedarfs (3,5 Millionen Tonnen) aus russischen Quellen gedeckt.

Die Ampel-Regierung und die Union setzen hingegen – ohne Rücksicht auf Verluste – auf teure Symbolpolitik: Deutschland boykottiert nicht nur russisches Öl, das per Schiff geliefert wird, sondern freiwillig auch Pipelineöl. Das trifft die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt ins Mark. An der Oder werden jährlich zwölf Millionen Tonnen Erdöl aus der „Drushba“-Pipeline zu Benzin, Diesel, Heizöl, Kerosin und Bitumen verarbeitet.

„Verstoß gegen Grundprinzipien der Marktwirtschaft“

Doch das einstige DDR-Vorzeigekombinat gehört inzwischen zu 54 Prozent dem Moskauer Rosneft-Konzern. Shell und der teilstaatliche italienische Eni-Konzern („Agip“) sind nur Minderheitsaktionäre. Daher hat die Bundesregierung vorige Woche Rosneft Deutschland und die RN Refining & Marketing GmbH unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Damit „stellen wir sicher, daß Deutschland auch mittel- und langfristig mit Erdöl versorgt wird“, behauptete Olaf Scholz bei seiner Pressekonferenz im Kanzleramt. Rosneft verfügt über zwölf Prozent der deutschen Ölverarbeitungskapazität und ist auch an der Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO; der zweitgrößten Raffinerie Deutschlands) in Karlsruhe und der Bayernoil in Vohburg an der Donau beteiligt. Zudem gehören den beiden Firmen wichtige Ölpipelines in Deutschland.

Rosneft hält die Entscheidung auf der Grundlage von Paragraph 17 Energiesicherungsgesetzes für „rechtswidrig“. Es sei eine faktische „Enteignung von Kapitalvermögen“ und ein „Verstoß gegen alle Grundprinzipien der Marktwirtschaft“. Man habe in Deutschland 4,6 Milliarden Euro investiert und trotz der „komplexen Situation“ auf dem deutschen Energiemarkt „seine Verpflichtungen zur Lieferung von Erdölprodukten voll erfüllt und Gespräche über neue Verträge geführt“, hieß es in einer Erklärung aus Moskau. Finanziell werden die Rosneft-Haupteigner (Rußland, Katar und bislang auch BP) ihre Verluste überleben: Im ersten Halbjahr 2022 vermeldete der staatlich dominierte Öl-Konzern einen Nettogewinn von umgerechnet sechs Milliarden Dollar. Dank der explodierten Rohölpreise und trotz der westlichen Sanktionen waren das 17,6 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Die teuren Öl-Ersatzlieferungen aus den USA, Norwegen und Saudi-Arabien via Rostock und möglicherweise Danzig reichen für den PCK-Erhalt aber nicht aus – daher muß nun der deutsche Steuerzahler ran: Bis 2037 sollen insgesamt 825 Millionen Euro zum Erhalt der Arbeitsplätze fließen, versprach der Kanzler. Hinzu kämen weitere 750 Millionen Euro aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Immerhin hat sein grüner Wirtschaftsminister Robert Habeck diesmal nicht empfohlen, einfach die Produktion einzustellen – die Versorgung der Hauptstadt und die von Brandenburg hängt zu über 90 Prozent an der PCK-Raffinerie.