© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/22 / 23. September 2022

Sächsischer Klimt
Symbolisch aufgeladen: Bilder von Oskar Zwintscher in Dresden
Claus-M. Wolfschlag

Nur wenige kunsthistorisch Interessierte werden mit dem Namen Oskar Zwintscher etwas anfangen können. Zu Unrecht, wie eine Ausstellung im Dresdner Albertinum nun beweist. Sein Werk siedelt sich zwischen Historismus, Symbolismus und Jugendstil an, und die Bezugnahmen auf bekannte Größen wie Arnold Böcklin, Gustav Klimt und Ferdinand Hodler sind nicht zu übersehen.

Zwintscher wurde 1870 in Leipzig als Sohn eines Klavierpädagogen geboren. Nach dem Studium in Leipzig und Dresden zog er als freischaffender Künstler nach Meißen, lebte mehrere Jahre auf der Albrechtsburg und verdiente seinen Lebensunterhalt teils als Karikaturist. Durch einen Wettbewerb und eine Ausstellung wurde er erstmalig 1898 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Auf Einladung Rainer Maria Rilkes war Zwintscher 1902 Gast bei der bekannten Künstlerkolonie Worpswede. 1903 wurde er schließlich Professor an der Dresdner Kunstakademie.

Die zweidimensionale Flächigkeit von Zwintschers Landschaftsbildern, die irreal-dekorative Anordnung der Wolkenformationen, die bisweilen unwirklich sommerlichen Farben verweisen Zwintschers Werk unverkennbar in die Zeit des Jugendstils. Natur wird zum Dekor. Doch das Albertinum hat sich zum Ziel gesetzt, den Maler in all seinen Facetten vorzustellen. Somit sind zum einen altmeisterliche Werke aus Zwintschers Hand zu sehen, zum anderen Gemälde, die einen düsteren Symbolismus ausstrahlen. Ausgemergelt, fast mit Basedowschen Augen, wirken die dargestellten Menschen bisweilen. Das nimmt Zwintschers Gattin Adele nicht aus, deren Altern auf den vielen Gemälden nachvollziehbar ist, für die sie Modell gestanden hat. Nackt oder in vielfältigen Kostümen hat Zwintscher sich immer wieder mit seiner offenbar innig geliebten Frau künstlerisch beschäftigt.

Er hat ein umfangreiches künstlerisches Werk hinterlassen

Und regelmäßig betritt der Tod als unbarmherzig gegenwärtiges Skelett die Szenerie seiner Bilder. So in dem Gemälde „Gram“ von 1898, bei dem ein trauernder junger Mann am grünlich gefärbten Leichnam seiner Geliebten kauert. Über ihm jedoch thront eine große schwarz gekleidete Gestalt mit Totenschädel und spitzen Krallen, einen schweren Stein herunterpressend. Der Kontrast des vom Leiden fast erdrückten Lebenden zu den friedlichen Zügen der Toten könnte kaum besser verdichtet werden. In einem 1897 gefertigten Selbstporträt sieht man ein Skelett, eine Sanduhr haltend, durch das geöffnete Fenster zum Künstler kriechen.

Oskar Zwintscher wurde nicht sehr alt, er starb im Februar 1916 mit nur 45 Jahren. Trotzdem hinterließ er der Nachwelt ein umfangreiches künstlerisches Werk. Seine Grabfigur auf dem Loschwitzer Künstlerfriedhof wurde von seinem Kollegen, dem Bildhauer und Karl-May-Illustrator Sascha Schneider, entworfen.