© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/22 / 23. September 2022

Erfinder erfunden
ARD fliegt mit Fake News auf, stellt sie aber nicht richitg
Mathias Pellack

Die Süddeutsche Zeitung geht journalistisch vor und fragt den Twitterer hinter einem im September eröffneten Account mit dem Namen eines vermeintlichen afrikanischen Erfinders, ob er der echte Maxwell Sangulani Chikumbutso sei. Die „Tagesschau“ hatte zuvor auf ihrer Netzseite über eine seiner „Erfindungen“ berichtet. Er habe einen Fernseher gebaut, heißt es dort, der sich selbst aus Funkwellen mit Energie versorgt. Ein Stromkabel sei dafür nicht nötig, zitiert die ARD-Südafrika-Korrespondentin Jana Genth am Freitag in einem großen Beitrag den Simbabwer. 

Die Chance läßt sich der Twitter-Chikumbutso nicht entgehen. Er tweetet höhnisch auf englisch seinen Dank an die SZ, deren Mitarbeiter sich offenbar nach seinen Erfindungen erkundigten. „Leider schienen die Kollegen von SZ nach meinen mit Studien von Havard untermauerten Antworten unsicher zu werden und blockierten mich.“ Bei der ARD sei das anders gelaufen, schreibt er.

Natürlich spielt auch angeblicher Rassismus eine Rolle

Am Freitag, dem 16. September, hatte die mit Zwangsbeiträgen finanzierte „Tagesschau“ auf ihrer Webseite eine Sensation gemeldet: Chikumbutsos Fernseher, der aus Funkwellen Strom erzeugen könne. ARD-Korrespondentin Genth berichtet, Chikumbutso habe ihr erklärt, der Fernseher sei ausgeschaltet, aber alle anderen Geräte an: „Jetzt ist es ein Mikroschallgerät, das Energie generiert. Selbst wenn der Fernseher aus ist, können durch ihn andere Dinge mit Strom versorgt werden.“

Die verblüffende Energiegewinnung läßt Genth kurzzeitig den Wahrheitsgehalt der Aussagen des angeblichen Erfinders anzweifeln, denn sie schreibt: „Wenn sie sich durch weitere Überprüfungen bewahrheiten würde, wäre die Erfindung aus Simbabwe sensationell.“ Sie weiß offenbar nichts davon, daß der Simbawer schon 2015 mit der Erfindung eines E-Autos berühmt geworden war, das nicht extern geladen werden müsse. Es sollte seine Energie aus – na klar – Funk- und Magnetwellen beziehen. Dieses Prinzip geht auf Nikola Tesla zurück. In kleinem Rahmen in unmittelbarer Nähe einer Funkanlage läßt sich tatsächlich eine Glühbirne damit betreiben, doch alle Versuche das Prinzip zu skalieren scheiterten bisher. Doch anscheinend ist die Geschichte auch angesichts der Energieknappheit in Deutschland zu verlockend, und Genth zitiert den einschlägig bekannten Afrikaner weiter: „Der Fernseher nutzt gewissermaßen kostenlose, erneuerbare und grüne Energie. Keine Emissionen, kein Verbrauch, keine Rohstoffe. Er nutzt die Funkwellen und wandelt sie um.“ Der Artikel geht online, und das offenbar allein auf Basis des guten Glaubens an die Richtigkeit der Aussagen des Erfinders, denn eine Überprüfung hat nicht stattgefunden, wie Genth selbst auf Twitter zugibt. Sie berichtet, Chikumbutso habe gesagt, Forscher aus den USA hätten bestätigt, daß die Erfindung funktioniere. Na dann muß das natürlich stimmen, oder? Lediglich, nachdem sich auf Twitter großes Mißtrauen regt, reagiert Genth und erklärt, sie habe keinen Kontakt zu den von Chikumbutso genannten US-Wissenschaftlern herstellen können. Das hätte sie vielleicht ergänzen sollen, hadert die Journalistin in die Runde.

Es dauert nach der Veröffentlichung nicht lange, da sammelt sich ein Shitstorm auf Twitter, und nach nur etwas mehr als zwei Stunden hatte die Bild die Zeitungsente entlarvt und kam zu dem Schluß: „Tagesschau fällt auf Betrüger herein“. Darin belegen die Springer-Journalisten mit einer einfachen Google-Suche, daß Chikumbutso kein Unbekannter ist und verweisen auf die Elektroauto-Geschichte. Faktenchecker hatten diese bereits als Falschnachricht gekennzeichnet. Sowohl das Funkwellen-Prinzip als auch der sogenannte Erfinder waren demnach bekannt, nur eben nicht Genth und der „Tagesschau“-Redaktion, die eigentlich selbst einen „ARD-Faktenfinder“ betreiben.

Bis die „Tagesschau“ den Beitrag löscht, werden drei Stunden vergehen. Eine Presseanfrage der JUNGEN FREIHEIT bleibt unbeantwortet. Doch damit nicht genug. Der Artikel erscheint am Samstag darauf als eine erweiterte Hörversion auf der Webseite der Deutschen Welle (DW). „Es klingt wie ein Teil der Lösung für unseren Energiehunger“, verspricht der Sprecher mit seriöser Stimme. Um dann auf die phantastischen Recherchen von Genth zu sprechen zu kommen. Den im „Tageschau“-Artikel immerhin mit einem Satz angezeigten Zweifel am Wahrheitsgehalt hegt hier niemand. Im Gegenteil berichtet die Deutsche Welle, daß diese Technologie seit einiger Zeit sogar umgesetzt werde. Die Basis dieser Behauptung bleibt im Bericht allerdings ungenannt. Dafür kommt eine Erklärung für die Tatsache, warum diese bahnbrechende Technologie noch nicht in Europa angekommen sei, die auch der Baron von Münchhausen nicht besser hätte geben können. „Doch durchgesetzt habe sie sich noch nicht. Das habe, klagt der Erfinder im Gespräch mit Jana Genth, auch mit einer großen Portion Rassismus zu tun.“ Auch die DW nimmt den Artikel im Laufe eines Tages unkommentiert wieder aus dem Netz. 

Eine Richtigstellung der Falschnachricht erscheint erst vier Tage später auf dem Blog der „Tagesschau“ nach erheblichem medialen Druck. „Ich bin den pseudowissenschaftlichen Erklärungen des Protagonisten meines Beitrags aufgesessen“, schreibt Genth darin „zutiefst“ betroffen und bittet „aufrichtig um Entschuldigung“. Die Verantwortlichen von tagesschau.de versprechen zudem „die Abläufe zu verbessern“.