© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/22 / 23. September 2022

Die Zumutungen der Großen Transformation
Abschied von 68er-Freiheiten
(dg)

Herbert Marcuse, der Guru der 68er-Bewegung, stellte sich die Systemveränderung, die er propagierte, nur schemenhaft vor. Als vages Ziel sei die „Transformation  der kapitalistischen Gesellschaft“ in ein statisches, „befriedetes Dasein“ anzusteuern, so daß selbstbestimmte Individuen ihre falschen, auf Konsum gerichteten, durch „wahre  Bedürfnisse“ ersetzen. Angekommen ist die Botschaft aber in einer hedonistischen Generation, die statt politischer Freiheit Konsumfreiheit nebst sexueller Freiheit für ihr wahres Bedürfnis hielt. Wenn deren Kinder, wie der 1971 geborene, an der FU Berlin Politologie mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit lehrende Philipp Lepenies, nun wegen des Klimawandels zum Konsumverzicht aufrufen und „Verantwortungsgefühl statt Egoismus“ predigten, kommt das einem radikalen Bruch mit dem alten linken Menschenbild gleich. Wobei der weich gebettete Professorensohn sich sicher sein darf, daß ihn die avisierten „Zumutungen“ nicht treffen. Ein Freiheitsbegriff, der sich lediglich auf konsumtive Freiheit beziehe, sei mit Blick auf die Negativeffekte „unseres Konsums“ in fernen Weltgegenden ohnehin obsolet (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 9/2022). Daher müsse es möglich sein, daß auch ein demokratischer Staat aufgrund der „Notwendigkeiten der Transformation“ Verbote ausspricht und „Verzichtspläne auflegt“. 


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