© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/22 / 23. September 2022

Siegen muß nicht mehr ritterlich sein
Ohne Infanterie und Feuerwaffen: Bei Mühldorf in Bayern fand 1322 die letzte klassische Ritterschlacht Europas statt
Jan von Flocken

Eigentlich war es höchst unritterlich, was sich während der letzten klassischen Ritterschlacht abspielte. Der Wittelsbacher Herzog, späterer Kaiser Ludwig IV., hielt an seiner linken Flanke, getarnt durch ein Waldstück hinter einem Hügel nahe dem Schloß Zangenberg, etwa 500 Reiter als Reserve zurück. Sie stand, getrennt von der Hauptmacht nördlich des Baches Isen, unter dem Kommando des Burggrafen Friedrich IV. von Nürnberg – einem Hohenzollern, dessen Enkel 1415 die folgenreiche Herrschaft dieser Dynastie in der Mark Brandenburg begründen sollte –, sowie dessen Feldhauptmann Seyfried Schweppermann. Nach damaligen Kriegsbräuchen galt das als unehrenhaft. Der Ritter hatte offen Mann gegen Mann zu kämpfen. Kriegslisten oder Hinterhalte waren verpönt. Daß Ludwig sich nicht darum scherte, weist ihn als klugen und besonnenen Feldherren aus. Ebenso die Tatsache, daß er sich vom unmittelbaren Kampfgeschehen – anders als sein Kontrahent – fernhielt, um den Überblick zu behalten.

Bayern und Österreich kämpften um die deutsche Königskrone

Was sich im Herbst 1322 bei dem oberbayerischen Städtchen Mühldorf am Inn abspielte, besaß eine lange Vorgeschichte. Die sieben deutschen Kurfürsten konnten sich nicht auf einen Bewerber für die Königskrone einigen. 1314 wählten fünf Kurfürsten den Herzog Ludwig IV. von Bayern zum Monarchen, zwei Stimmen entfielen auf den Habsburger Friedrich von Österreich, genannt „der Schöne“. Weil das Mehrheitsprinzip damals noch nicht galt, betrachteten beide Herren sich als rechtmäßigen König. 

Dem Streit folgten zahlreiche Scharmützel, die sich über acht Jahre hinzogen und in denen keine Partei einen überzeugenden Sieg erringen konnte. Im Herbst 1322 suchten der Bayer und der Österreicher die Entscheidung. Ludwig IV. brach am 21. September mit 1.800 schweren Reitern von München in Richtung Inn gegen Ampfing auf. Seine Truppen bezogen auf einer Anhöhe nördlich des Schlachtfeldes zwischen Mettenheim und Neufahrn ihre Stellung. Feuerwaffen oder Infanterie wurden zum letzten Mal in einem bedeutenden Gefecht nicht eingesetzt; es sollte die letzte klassische Ritterschlacht Europas werden.Vier Tage lang lagen sich die Kontrahenten gegenüber und belauerten einander. Dann wurde Ludwig zum ersten Angriff überredet. Und Schön-Friedrich auf der anderen Seite ließ sich leichtsinnig auf eine offene Feldschlacht ein, ohne die Ankunft von Verstärkungen abzuwarten.

Nachdem am 28. September 1322 kurz nach 6 Uhr früh in beiden Lagern die heilige Messe gehört wurde, brach die Schlacht los. Sie dauerte ungewöhnlich lange. Zahlreiche Reiterattacken stießen mit wechselndem Erfolg zusammen. Manch ungeduldiger Ritter stieg vom Roß und suchte die Entscheidung im Gefecht zu Fuß. Das war in voller Rüstung durchaus üblich und möglich, denn gute Harnische erwiesen sich auch für diese Kampfform als ideal. Vor allem wurde größter Wert auf die gute Beweglichkeit aller Einzelteile gelegt. Das Bild vom Ritter, der sich mit seiner schweren Rüstung per Kran aufs Pferd hieven läßt, ist ebenso unsinnig wie die Behauptung, er sei am Boden liegend völlig bewegungsunfähig gewesen. 

Der Verlauf der Schlacht bei Mühldorf kann aufgrund der mehr oder weniger ungenauen Nachrichten in allen Einzelheiten nicht sicher geschildert werden. Immerhin steht so viel fest, daß Ludwigs Heer am frühen Morgen die Österreicher angriff, nachdem die Schlacht nach den Kriegsgebräuchen jener Zeit am Vorabend vereinbart worden war. Die erste Phase des Kampfes endet mit einem Erfolg der Österreicher, das feindliche Heer wurde nach wechselvollem Kampf zurückgeworfen. 

In dieser Krise des Gefechts führte das Eingreifen des Burggrafen Friedrich IV. von Nürnberg am frühen Nachmittag zur Entscheidung. Er hatte mit einer starken Abteilung wohl in ziemlicher Entfernung vom Schlachtfeld den Isen-Bach Richtung Süden überschritten und erschien nun am rechten Flügel der Österreicher. Als die Nürnberger Reiterei, unter Feldhauptmann Schweppermann auch noch im Flankenangriff und sogar vom Rücken her gegen den Feind einhieb, brach Panik los. Damit vollendete sich das Geschick des österreichischen Heeres, das durch den Angriff von zwei Seiten seiner wichtigsten Rückzugslinie beraubt und nahezu vernichtet wurde. Friedrich der Schöne mußte sich nach tapferem Kampf ergeben. Seinen entfernten habsburgischen Verwandten soll Ludwig mit den ironischen Worten empfangen haben: „Herr Vetter, ich sah Euch nie so gern wie heute.“

Der Herr Vetter mußte auch noch die Reichskleinodien ausliefern, so daß Ludwig IV. sich nunmehr als unbestrittener Herrscher betrachten durfte und 1328 die Krone des römisch-deutschen Kaisers empfing.