© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/22 / 30. September 2022

Marco Pogo will nächster österreichischer Bundespräsident werden. Obwohl chancenlos, sorgt er für eine Debatte.
Mit Bier zum Erfolg
Robert Willacker

Ein Lokalpolitiker, ein Rocksänger, ein Arzt – was nach drei verschiedenen Persönlichkeiten klingt, ist in Wirklichkeit nur eine: Dominik Wlazny, besser bekannt unter dem Pseudonym „Marco Pogo“. Der 35jährige Wiener ist bereits ein Multitalent und möchte jetzt auch noch österreichischer Bundespräsident werden. Aber der Reihe nach: Turnusmäßig alle sechs Jahre wird in der Alpenrepublik der Bundespräsident direkt vom Volk gewählt. Am 9. Oktober ist es wieder soweit, dann strebt der 78jährige Amtsinhaber Alexander Van der Bellen, emeritierter Universitätsprofessor und langjähriger Bundessprecher der Grünen, seine Wiederwahl an und ist dabei mit einem relativ großen Kandidatenfeld konfrontiert. Insgesamt sechs Herausforderer stellen sich dem Votum der Bevölkerung, darunter auch Dominik Wlazny alias Marco Pogo.

Seit 2015 feiert der studierte Mediziner als Frontsänger der Punkband „Turbobier“ österreichweit Erfolge und vermarktet dabei nicht weniger erfolgreich die von ihm begründete gleichnamige Biermarke. Pogo ist zudem Vorsitzender der ursprünglich als Spaßpartei konzipierten „Bierpartei“. Mit dieser brachte er es bei der Wiener Bezirks- und Gemeinderatswahl 2019 mit Wahlkampfsprüchen wie „Wo ein Wille, da Promille“ und „I bin scho wieder angsoffen“ immerhin auf 1,8 Prozent der Wählerstimmen und damit in elf der dreiundzwanzig Wiener Bezirksvertretungen. Seine Auftritte lassen sich am ehesten mit denen der deutschen Kleinpartei „Die PARTEI“ des ehemaligen Titanic-Chefredakteurs und heutigen EU-Abgeordneten Martin Sonneborn vergleichen. 

Erfreuliches Ärgernis für das linke Establishment einerseits, andererseits Teil grassierender Infantilisierung.

Anläßlich seiner Kandidatur entspann sich deshalb auch eine mediale Debatte über das Für und Wider von Spaßkandidaten; eine Kategorie, in die man Pogo jedoch nur noch bedingt sortieren kann. Denn im aktuellen Wahlkampf schwingen bei seinen Auftritten auch ernste Töne mit. Auf den insgesamt nur neun Plakatständern der Partei landesweit, die alle in Wien stehen, geht es um Themen wie Kinderarmut, Klimawandel und Gewalt an Frauen. Auch spendeten die elf Bezirksräte der Bierpartei unlängst 5.000 Euro an einen Suchthilfeverein. Insbesondere das junge, linke Großstadtmilieu findet großen Gefallen an der Darstellung des Anti-Politikers, der damit Amtsinhaber Van der Bellen zwar wohl nicht gefährlich werden, ihn jedoch schmerzhafte Prozentpunkte kosten kann.

Eine Beurteilung der politischen Kunstfigur Marco Pogo fällt aus konservativer Perspektive zwiespältig aus: einerseits ist ihr Schöpfer Wlazny zweifellos ein intelligenter Mensch, der den Clown lediglich spielt. Das ist schon deshalb eine erfrischende Abwechslung, weil man es heutzutage auf dem politischen Parkett meist andersherum erlebt. Auch ist Pogo ein erfreuliches Ärgernis für die Parteien des linken Establishments, das sich früh auf eine Unterstützung für den überparteilich antretenden Van der Bellen geeinigt hat und dementsprechend auf eigene Kandidaten verzichtet. Andererseits ist Wlaznys Kunstfigur aber auch Teil einer grassierenden Infantilisierung von Politik und Gesellschaft, in der Vernunft und Verstand seit Jahren auf dem Rückzug sind. Wie so viele Erscheinungen unserer Zeit wird letztlich auch der derzeit hell strahlende politische Stern des Marco Pogo wohl vor allem eines sein: schnell vergänglich.