© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/22 / 30. September 2022

A bis Z der politischen Symbole
Identität, Kommunikation, Propaganda: Karlheinz Weißmanns Standardwerk zur Zeichenlehre / Auszug aus der Einleitung
Karlheinz Weißmann

Der Begriff »politische Symbolik« ist vieldeutig. Es läßt sich darunter alles mögliche verstehen, und es wird alles mögliche darunter verstanden. Man kann Landschaften oder »Erinnerungsorte« als politische Symbole bezeichnen, Gebäude oder archaische Überreste, Grenzverläufe oder Denkmäler, Darstellungen von Himmelskörpern, Menschen, Tieren, Pflanzen oder abstrakten Figuren, Farben, Kopfbedeckungen oder Kleidungsstücke, alle denkbaren Artefakte, weiter Texte, Namen und Formeln, zum Beispiel Schriftarten und Schreibweisen, Gesten, Musikstücke, Richtungs­angaben oder Speisegewohnheiten.

So hatte das Matterhorn immer Bedeutung für das patriotische Empfinden der Schweizer, während man in völkischen Kreisen Deutschlands die Externsteine als Kultplatz der Ahnen ehrte. Die Hauptpost Dublins, in der sich Freischärler während des Osteraufstands von 1916 verschanzten, spielt bis heute eine Rolle für das Kollektivgedächtnis der Iren, und jedem US-Bürger ist das Weiße Haus Inbegriff der politischen Zentrale.

Die Reste Spartas entzündeten die politische Phantasie der republikanischen Linken wie der revolutionären Rechten, und die geheimnisvollen Ruinen von Simbabwe gaben einem schwarzafrikanischen Staat den Namen. Die großdänische Bewegung betrachtete den Fluß Eider in Schleswig als »natürliche« Grenze des Landes, und am Ende des 19. Jahrhunderts spielte für die Grenzziehung auf dem Balkan das »kartographische Symbol« eine eminente Rolle, da Karten verbreitet worden waren, die die ethnischen und religiösen Gemeinschaften in verschiedenen Farben gedruckt zeigten. Das neugegründete Mazedonien geriet mit dem benachbarten Griechenland in einen erbitterten Streit darüber, wer den Stern von Vergina (ein Emblem, das man im Grab des Vaters von ­Alexander dem Großen gefunden hatte) als Hoheitszeichen verwenden dürfe. Dagegen interessiert sich kaum jemand für den Sonnenkreis in der Nationalflagge Grönlands.

Menschliche Figuren treten in der politischen Symbolik als Allegorien, aber auch karikaturenartig auf, vom heiligen Georg im Wappen Georgiens bis zu John Bull, dem Sinnbild des Engländertums. Schon am Ornat des Pharaos fand sich ein Löwenschwanz als Symbol der Herrschermacht, und denkbar groß ist der Abstand zur Popularität der Schildkröte in der neofaschistischen Szene Italiens.

Die Urfomen der liberalen Symbolik entstanden im niederländischen Freiheitskampf gegen die spanische Fremdherrschaft.

Das wichtigste politische Symbol des 20. Jahrhunderts dürfte das Hakenkreuz gewesen sein, während die Gleichstriche der Homosexuellenlobby kaum jemand kennt, aber beiden gemeinsam ist der rein graphische Charakter. Anfang des 14. Jahrhunderts legte der Sultan von Ägypten zur Markierung der Christen die blaue, der Juden die gelbe und der Muslime die weiße Farbe fest, und heute versteht jeder, was mit »Vote Green!« gemeint ist.

Die weiche Ballonmütze gehörte zum Sozialdemokraten der Wilhelminischen Zeit, während der konservative Gentleman den Bowler trug. Der offene Schillerkragen war einmal Indiz rebellischer Bürgerlichkeit, während im Iran das bis oben geschlossene Hemd – ohne Krawatte – als Signal der Linientreue gilt.

Eine politische Bedeutung ersten Ranges besaßen seit je Gegenstände ehrwürdigen Alters wie der Stone of Scone, auf dem der schottische König eingesetzt wird, oder die Heilige Krone Ungarns. Die Parole der Islamisten lautet: »Der Koran ist die Lösung!«, und das Wenzelslied übte – obwohl eine Fälschung – erheblichen Einfluß auf die Entwicklung des tschechischen Nationalismus aus.

Die geballte Faust wird als Signal des Widerstandes genauso unmittelbar verstanden wie der Kniefall Willy Brandts in Warschau als Ausdruck der Bitte um Vergebung. Die Singende Revolution führte zur Befreiung des Baltikums von der sowjetischen Unterdrückung, und der Barritus, ursprünglich ein germanischer Schlachtruf, gehörte im spätrömischen Heer zur Akklamation des Kaisers. 

Die frühesten Symbole waren teils plastischer, teils graphischer Art. Sie dürften in der Regel dem Speichern von Wissen oder der Verständigung gedient haben. Aber es wird von vornherein auch herausgehobene Symbole mit besonderer Bedeutung gegeben haben. In der Regel wird angenommen, daß es sich um religiöse Symbole handelte. Aber diese Feststellung verliert an Gewicht, wenn man bedenkt, daß sie von Menschen geschaffen wurden, für die jeder Bereich des Lebens religiös bestimmt war. Drei- oder viertausend Jahre alte Felszeichnungen, die Dolche oder Äxte zeigen, werden sich wohl nicht nur auf Götter oder Glaubensvorstellungen bezogen haben, sondern können auch Hinweise auf einen militärischen Rang oder eine Machtstellung enthalten. Womit schon darauf hingewiesen ist, daß die größten und stabilsten Symbolsysteme auf die drei »Potenzen« der Geschichte – Religion, Kriegswesen und Politik – zurückgehen. Dasselbe kann man für die Wirtschaft nicht behaupten, obwohl wirtschaftliche Faktoren oft eine Rolle bei der Durchsetzung oder Verdrängung von Symbolen spielten. Aber alles Ökonomische bleibt so stark von Nützlichkeitserwägungen bestimmt, daß das Au-

ßerrationale, das zur Schaffung eines wirkungsvollen Symbols gehört, kaum zum Tragen kommen kann. Noch wichtiger ist, daß nur Religion, Kriegswesen und Politik jenen Grad der Vergemeinschaftung anstreben, den Symbolsysteme gewährleisten. 

Soweit wir in Verbänden leben, dienen Symbole deren Organisation, Disziplinierung und Mobilisierung. Das erklärt auch die globale Verbreitung entsprechender Grundmuster; der Einfachheit halber kann man von Kennzeichen, Rangzeichen und Hoheitszeichen sprechen. Kennzeichen sind diejenigen, die der Ingroup vorbehalten sind und sie von jeder Outgroup scheiden. Als Rangzeichen werden die verstanden, die innerhalb der Gruppe den Status zum Ausdruck bringen, als Hoheitszeichen jene, die Souveränität nach innen und außen signalisieren. Selbstverständlich gibt es Überschneidungen zwischen diesen Kategorien.

Die Dauerhaftigkeit von Symbolsystemen hat wesentlich

mit ihrer zentralen Bedeutung für die Aufrechterhaltung von Identität zu tun.

Symbolsysteme haben einen konservativen Charakter. Sicher ist die Stabilität der religiösen Zeichensprache am auffälligsten, aber mittelbar gilt die Feststellung auch für die benachbarten Felder des Militärischen und des Politischen. Die Dauerhaftigkeit von Symbolsystemen hat wesentlich mit ihrer zentralen Bedeutung für die Aufrechterhaltung von Identität zu tun. Jede Manipulation gefährdet die Erkennbarkeit und damit die appellative Kraft der Zeichen. 

Wenn man von politischer Symbolik im engeren Sinn spricht, ist darauf hinzuweisen, daß sich eine stärkere Scheidung zwischen politischer, religiöser und kriegerischer Dimension nur in Europa ausgebildet hat. Seit dem Beginn der Neuzeit trugen die Säkularisierung und die Entstehung des modernen Staates zu diesem Prozeß wesentlich bei. Von nun an fehlt der politischen im Gegensatz zur religiösen Symbolik die starke Betonung des Übernatürlichen, und sie kommt, anders als die kriegerische, ohne militärtechnische Erwägungen aus. Die Entwicklung der politischen Symbolik im engeren Sinne hat außerdem einen stark demokratisierenden Zug. Es geht in erster Linie um Kennzeichen, nicht um Rangzeichen, und die überlieferten Herrschaftszeichen verloren seit dem 16. Jahrhundert sukzessive an Bedeutung. Wo sie mit der Verfassungsform der Monarchie weiterbestanden, traten sie in ihr »Greisenalter« ein und sanken zum Schmuckelement herab.

Als politisches Symbol im engeren Sinn sei deshalb im folgenden jedes optische Symbol verstanden, das die Qualität einer Marke hat und geeignet ist, für eine bestimmte Gruppe identitätsstiftend zu wirken. Ein politisches Symbol übt immer einen schwächeren oder stärkeren Zwang zur Annahme aus, um Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit festzulegen. Politische Symbole sind darüber hinaus Führungsmittel, was den Aspekt der Kommunikation nicht ausschließt, aber hervorzuheben ist, da ihr Einsatz in erster Linie der Ausrichtung dient. Das erklärt ihre Bedeutung für alle Formationsversuche. Ihren Zweck erfüllen politische Symbole auf andere Weise als die objektive Organisation eines Staates, einer Partei, einer Bewegung oder deren theoretische Rechtfertigung. ­Der Staatsrechtler Rudolf Smend hat diesbezüglich von einer sachlichen und »extensiven« Integration im Gegensatz zu einer gefühlsmäßigen und »intensiven« Integration gesprochen. Bemerkenswerterweise ist die »intensive« Integration mittels Symbol »elastischer« und bewirkt sogar in modernen Massengesellschaften einen Zusammenhalt, der argumentativ kaum zu vermitteln ist.

Im Normalfall steht kein Symbol isoliert. Symbole gehören zu Symbolsystemen, die durch bestimmte formale Eigenschaften und eine gewisse Menge gemeinsamer Bezugsgrößen konstituiert werden. Man kann durchaus von Stileinheit sprechen. Als Beispiel aus historischer Zeit ist die Vorbildfunktion des englischen Wappens (drei goldene Löwen auf rotem Feld) zu nennen, das von den Herzögen der Normandie wie Braunschweigs (zwei goldene Löwen auf rotem Feld) gemindert, von den dänischen Königen (drei blaue Löwen auf goldenem, mit roten Herzen bestreutem Feld), von Reval/Tallinn und von Estland (drei blaue Löwen auf goldenem Feld) variiert übernommen wurde.

Zu nennen sind aber auch die türkischen Embleme Halbmond und Stern, die nicht nur die vormals zum Osmanischen Reich gehörenden Länder nach Erlangen der Unabhängigkeit in ihre Flaggen übernahmen (Ägypten, Cyrenaika, Libyen, Tunesien, Algerien), sondern auch von Staaten außerhalb des türkischen Herrschaftsbereichs als Symbol der islamischen Gemeinschaft adaptiert wurden (Malediven, Malaysia). Noch wesentlich größer war die Durchschlagskraft der französischen Trikolore als politisches Symbolmodell, deren graphisches Muster zahlreiche liberale und Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts kopierten (Italien, Irland, Belgien) oder variierten (Deutschland, zeitweise Spanien), die aber vor allem als Farbkombination außerordentlichen Erfolg hatte und weltweite Verbreitung erfuhr (Haiti, Lucca, Mexiko, Norwegen, Uruguay, Algerien, Dominikanische Republik, Costa Rica, Madagaskar, Louisiana).

Der Ursprung der modernen politischen Symbolik ist Europa. Das erklärt sich in erster Linie dadurch, daß es nur in Europa seit dem 16. Jahrhundert zu der erwähnten Lockerung oder Auflösung der engen Verbindung religiöser, kriegerischer und politischer Lebensbereiche kam, die zur Entstehung der großen Weltanschauungslager führte, die stark vereinfacht als »liberal«, »links« und »rechts« bezeichnet werden. So entstanden die Urformen der liberalen Symbolik im niederländischen Freiheitskampf gegen die spanische Fremdherrschaft einerseits und die katholische Kirche andererseits, die beide über sehr entwickelte und differenzierte Zeichensysteme verfügten. Die Durchsetzung der liberalen Symbole erfolgte in den beiden nächsten Jahrhunderten etappenweise bis zur Amerikanischen und Französischen Revolution.

Ganz deutlich waren linke Symbole Varianten oder Fortentwicklungen der liberalen, allerdings mit eigener Akzentsetzung. Bezeichnend ist, daß die französische Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert Rot an die Stelle der Trikolore und die Internationale an die Stelle der Marseillaise setzte, da das Bürgertum sich beide Symbole der Revolution angeeignet hatte. Eine vollständige Emanzipation erfolgte aber erst nach der bolschewistischen Revolution von 1917, die auch neue Ausdrucksformen schuf, die sich hinreichend deutlich von denen der älteren Linken unterschieden. Während der reaktive Charakter der klassischen Rechten darin zum Ausdruck kam, daß sie im wesentlichen auf die religiösen, militärischen und politischen Zeichen der Vergangenheit zurückgriff, hat die nachklassische Rechte erst mit dem italienischen Faschismus eine deutlichere Gestalt angenommen und auf vielen symbolischen Feldern eigene Entwürfe etabliert. Das gilt trotz der zahlreichen Anleihen, die dieses politische Lager bei seinen Hauptgegnern machte.

Die Symbolfamilie der Liberalen wird bestimmt von Dreifarbigkeit der Fahnen (Trikoloren seit der Frühform der niederländischen im 16. Jahrhundert; das Sternenbanner, »The Red, White and Blue«, als Sonderfall) und antikisierenden Motiven (Allegorien wie Marianne oder Britannia, phrygische Mütze, Freiheitsbaum).

Die Symbolfamilie der Linken ist vor allem gekennzeichnet durch Einfarbigkeit (Rot oder Schwarz), antikisierende (zum Beispiel phrygische Mütze, Fasces, Freiheitsbaum) und seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts funktionalistische Zeichen (z. B. Hammer, Sichel, Pflug, teilweise auch Waffen wie Schwert oder Gewehr).

Die Symbolfamilie der konservativen oder klassischen Rechten prägte zum einen Zweifarbigkeit der Fahnen (Livree­farben); als Ausnahmefall kann das royalistische Weiß gelten, das aber eigentlich auch eine Kombination von Weiß und Gelb-Gold ist. Weiter spielt Traditionalismus für diese Richtung eine entscheidende Rolle (Wappenfiguren und überlieferte Fahnenbilder, auch religiöse Motive).

Hitler entwarf die Parteiflagge der NSDAP nach ihrer Werbewirksamkeit und behandelte das Hakenkreuz ähnlich einer Warenmarke. 

Die Symbolfamilie der nachklassischen Rechten verschmilzt verschiedene Überlieferungslinien. Das wird besonders deutlich an Gruppen wie der Action française, die traditionalistische (Lilie), antikisierende (Allegorien wie die France) und liberale (Trikolore) Zeichen kombinierte. Es gilt ähnliches für die italienischen Faschisten, bei denen aber der Traditionalismus zurücktrat, ein Hauptsymbol aus dem Fundus der antiken Motive kam (Fasces), ein anderes dem linken Symbolkonzept (Schwarz) entsprach. Es gab in diesem Zusammenhang eine Reihe von Übereinstimmungen mit den Völkischen beziehungsweise Nationalsozialisten (Rot), deren Rückgriff auf archaische Symbole (Hakenkreuz, Radkreuz und Runen) aber fast als Entstehung einer weiteren selbständigen Symbolfamilie gedeutet werden könnte.

Wenn man in Symbolrevolutionen und -kämpfen den wichtigsten Impuls für die Ausbildung und den Wandel der Symbolsysteme sieht, dann müssen doch auch sekundäre Faktoren genannt werden, die zu diesen Prozessen beitragen. Das gilt vor allem für merkantile und technische Einflüsse. Schon religiöse Zeichen der altorientalischen Hochkulturen wurden mittels verblüffend effektiver Vervielfältigungsmethoden und quasi-industrieller Herstellung von Devotionalien über Handelswege ausgebreitet. Ein ähnlicher Vorgang ist im Kontext der Durchsetzung des gemünzten Geldes festzustellen, das, vom antiken Griechenland ausgehend, mit der Etablierung spezifischer Formen politischer Propaganda auf den Münzbildern zu tun hatte.

Ein Hand-in-Hand-Gehen dieser Art spielte auch eine wichtige Rolle bei der Etablierung vieler neuzeitlicher politischer Symbole. So hat der Historiker  ­Maurice ­Agulhon plausibel gemacht, daß die Marianne als Verkörperung des republikanischen Frankreich von mittelständischen Unternehmern durchgesetzt wurde, die diese Figur seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in zahllosen preisgünstigen Reproduktionen an eine Kundschaft brachten, die sich als patriotisch gesinnt und zahlungskräftig erwies. Und die Popularität des Sternenbanners in den USA geht nicht zuletzt auf die Geschäftstüchtigkeit derjenigen zurück, die die – in ihrer äußeren Gestalt anfangs nicht definierte – Nationalflagge je nach Geschmack gestalteten und zu einem Dekorationsartikel machten, den zu gebrauchen jeder gute Amerikaner verpflichtet war.

Vor diesem Hintergrund erscheint Hitlers Interesse an Reklame und ihrer Nutzbarkeit für seine Propaganda wenig überraschend – er folgte nur einer allgemeinen Tendenz moderner Symbolpolitik. Daß er die Parteiflagge der NSDAP nach Maßgabe ihrer Werbewirksamkeit entwarf und das Hakenkreuz ähnlich einer Warenmarke behandelte, beobachteten schon Zeitgenossen mit einer Mischung aus Verblüffung und Bewunderung. Es entsprach dieses Konzept aber ganz den amerikanischen Mustern politischer Selbstdarstellung und Werbung, die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zuerst in Europa und dann im Weltmaßstab übernommen wurden.

Hierbei handelte es sich um einen Prozeß, der durch die modernen Medien weiter beschleunigt wurde, der es sogar erlaubte, ansonsten als undurchlässig betrachtete Systemgrenzen zu überwinden. Besonders aufschlußreich dafür war das Auftauchen des Anti-Atomtod-Symbols und der Parole »Make love, not war« – typischer Ausdrucksformen des »dekadenten Westens« – in der Sowjetunion nach Beginn des Afghanistankrieges.

Daß der Zeitgeist entscheidend auf die Gestaltung und den Erfolg von Propaganda einwirkt, war den Spezialisten seit je deutlich, und in der Gegenwart überlassen alle modernen Parteien ihre Wahlkämpfe konsequenterweise Marketingfachleuten, die politische Gruppierungen wie eine Ware präsentieren und deren Symbole nach den Regeln eines Brandings gestalten. (…)

Es bleibt für die Regierenden wie für ihre Konkurrenten eine Notwendigkeit, Politik als »symbolische Politik« zu betreiben, um Legitimitätsglauben zu erzeugen oder in Frage zu stellen. Symbole klären im Politischen nach wie vor und auf absehbare Zeit, was als gut, richtig, nützlich zu gelten hat und was als böse, falsch, schädlich. Sie vereinfachen im notwendigen Maß oder darüber hinaus die Menge denkbarer Wahlmöglichkeiten, aber in jedem Fall bieten sie die entscheidende politische Handlungsmöglichkeit: »eine gewisse Zahl an Zeichen zu manipulieren«.