© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/22 / 30. September 2022

Ländersache: Baden-Württemberg
„Länd unter“ für den Minister?
Christian Vollradt

Den Schwaben sagt man ja eine gewisse charakterliche Verwandtschaft zu den Schotten nach – Stichwort: extreme Sparsamkeit. Aber läge Baden-Württemberg, das sich mittlerweile halbwitzig als „the Länd“ präsentiert, tatsächlich im Vereinigten Königreich, dann würden jetzt die Geschäfte der Buchmacher brummen. Und die Wetten auf das politische Schicksal des Innenministers stünden schlecht für ihn.

Fast 15 Stunden mußte Thomas Strobl (CDU) am vergangenen Freitag als Zeuge im Untersuchungsausschuß Rede und Antwort stehen. Hintergrund ist die sogenannte Polizeiaffäre: Der ranghöchste Polizist des Südweststaates soll eine untergebene Beamtin bedrängt und ihr Karrierevorteile gegen Sex versprochen haben. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann läuft, noch steht nur der – äußerst pikante – Vorwurf im Raum, bewiesen ist derzeit nichts. Mittlerweile hat sich die Sache allerdings zu einer Minister-Strobl-Affäre entwickelt. 

Denn der CDU-Politiker und Vize-Ministerpräsident höchstselbst soll vertrauliche Unterlagen an einen Journalisten durchgestochen haben. Geheimnisverrat und Verstoß gegen den Datenschutz, so lauten die schwerwiegenden Vorwürfe. Der Anwalt des Polizeiinspekteurs hatte Widerspruch gegen das Disziplinarverfahren eingelegt und schlug dem Innenministerium ein klärendes Gespräch vor. Und eben dieses Schreiben landete in der Presse; weitergegeben vom obersten Dienstherrn. Der wiederum behauptet, ganz im Sinne größtmöglicher Transparenz gehandelt zu haben.

Seine Argumentation: Früher oder später wäre der Wunsch des Anwalts ohnehin öffentlich geworden, und dann wäre er, Strobl, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit dem Vorwurf der Mauschelei konfrontiert worden. Der Minister, studierter Jurist, legte damit nahe, sein Handeln in erster Linie nach politischen und weniger nach rechtlichen Maßgaben ausgerichtet zu haben. Nach dem Motto: Was wiegt schon der Vorwurf des Geheimnisverrats gegenüber dem Verdacht, hier hätten alte Männer sich gegen eine junge Frau, die womöglich Opfer sexueller Nachstellungen wurde, zusammengetan? Einen Fehler habe er gemacht, so Strobl im Ausschuß, aber strafbar sei das nicht gewesen. Daß er sich auf eigene Kosten von Christian Schertz, einem der prominentesten Medienanwälte vertreten läßt, ist ein Hinweis darauf, für wie brisant der Minister selbst den Fall hält. 

Klar ist: Eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Strobl, kann er nicht mehr Innenminister bleiben. Doch auch das Gegenteil könnte sein Karriereende bedeuten. Wenn nämlich die Staatsanwälte dem 62jährigen angeboten haben sollten, die Ermittlungen gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen, und er auf diesen „Deal“ eingegangen wäre. Danach im Untersuchungsausschuß gefragt, machte Strobl von seinem Recht auf Zeugnisverweigerung Gebrauch. Niemand muß sich schließlich mit einer Aussage selbst belasten. Doch in der CDU, in der ohnehin die Messer im Rücken des Landesvorsitzenden gewetzt werden, gälte er in diesem Fall als untragbar. Man muß kein wettverrückter Engländer sein, um in dieser Konstellation gegen Strobl zu setzen.