© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/22 / 30. September 2022

Neutral, legal, ganz egal?
Abmahnungen: Im Streit mit der politisch etablierten Konkurrenz setzt die AfD verstärkt auf die juristische Karte
Henning Hoffgaard

In den Fluren der AfD dürfte der Satz „Abmahnung ist raus!“ in den vergangenen Wochen öfter gefallen sein. Ihre Bundestagsfraktion verklagt den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), weil der die Partei in einer Regierungsbefragung als „Partei Rußlands“ bezeichnet hatte, was die so Angesprochenen für eine „objektiv unsachliche, herabwürdigende Antwort“ und somit einen Mißbrauch der „verfassungsmäßigen Rechte“ des Parlamentes halten. 

Die Hessen-AfD zieht gegen den dortigen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) zu Felde, da dieser seine „Neutralitätspflicht“ verletzt habe, als er auf einer Regierungspressekonferenz die AfD als „im Kern radikal und gefährlich“ bezeichnete.

Auch die Bundespartei ist juristisch nicht untätig. Sie liegt mit dem Verteidigungsministerium wegen eines Beitrags im offiziellen Monatsmagazin der Bundeswehr im Clinch, in dem behauptet wird, die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als „Prüffall“ sei gerichtlich bestätigt. Weiter heißt es, es werde erwartet, daß „AfD-Mitglieder und -Unterstützer“ die Bundeswehr nun verlassen, da bestimmte Berufe und Funktionen nicht vereinbar seien mit einer Partei, „die die Verfassung abschaffen möchte“.

 In einem Abmahnschreiben der Kanzlei Höcker an das Bundesverteidigungsministerium, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, heißt es, die Äußerungen über die AfD seien „gleich mehrfach rechtswidrig“, zumal sich das Ministerium „in amtlicher Funktion generell überhaupt nicht“ zur AfD äußern dürfe. Die Behauptung, die Partei wolle die Verfassung abschaffen, sei „zudem frei erfunden“. Während Kanzler Scholz nicht reagierte und Hessen-Ministerpräsident Rhein die Abmahnung der AfD nicht unterschreiben will, kommt in den Streit mit dem Haus von Verteidigungsministerin Christiane Lambrecht Bewegung. Die Ausgabe des Bundeswehrmagazins ist von allen Webseiten der Streitkräfte und des Ministeriums verschwunden.

„Es handelt sich um eine rein vorsorgliche Maßnahme im Rahmen der Überprüfung, die keinen Rückschluß auf das Ergebnis der noch laufenden Prüfung zuläßt“, teilte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf Anfrage der jungen freiheit mit. Die rechtliche Prüfung dauere noch an. Nicht unwahrscheinlich also, daß es schon bald heißen wird: „Urteil ist raus!“