© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/22 / 30. September 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Tut auch bestimmt nicht weh
Paul Rosen

Daß eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, weiß der Volksmund schon lange. Auch im Bundestag scheint das Sprichwort zu gelten, was sich beim Thema Abgeordnetenbestechung zeigt. Als während der Corona-Pandemie herauskam, daß Abgeordnete und andere Personen des politischen Lebens ihre Beziehungen genutzt hatten, um Aufträge für Schutzmasken erfolgreich vermitteln zu können, war die Aufregung groß. Mehrere Politiker mußten auf Druck ihre Mandate niederlegen. 

Jetzt ist die juristische Aufarbeitung des Skandals, in den Bundestagsabgeordnete wie Georg Nüßlein (CSU) und Mark Hauptmann (CDU) sowie der bayerische Landtagsabgeordnete und frühere Minister Alfred Sauter (CSU) verwickelt waren, beendet. Ergebnis: Es gibt keine Anklagen, keine Geldbußen, und die zum Teil siebenstelligen Beträge, die von der Justiz bei den Betroffenen sichergestellt worden waren, wurden inzwischen zurückerstattet. Kenner der Materie wie der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim hatten stets darauf hingewiesen, daß der Paragraph der Abgeordnetenbestechung im Strafgesetzbuch von den Bundestagsabgeordneten als Gesetzgeber absichtlich so formuliert wurde. So konnten sie sicherstellen, daß Verurteilungen höchst unwahrscheinlich sind: Strafbar macht sich, wer als Mitglied eines Parlaments „einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse“. 

Es war aber für Nüßlein und Sauter nicht ganz so einfach gewesen, unbeschadet aus der Sache herauszukommen. Letztlich fand der Bundesgerichtshof aber klare Worte zu ihren Gunsten und stellte klar, was mit der Wahrnehmung des Mandats gemeint ist: Erfaßt wird davon nur die Tätigkeit des Abgeordneten im Plenum und in den Ausschüssen. Der Richterspruch erscheint weltfremd, denn wenn in den Ausschüssen oder im Plenum des Bundestages abgestimmt wird, ist die Sache längst gelaufen; Lobbyisten – und mögliche Bestecher – müssen bis dahin ihre Arbeit erledigt haben, sonst ist es zu spät.

Sauter bekam aufgrund des Urteils Presseberichten zufolge etwa 1,2 Millionen Euro zurück, bei Nüßlein sollen es 600.000 Euro gewesen sein. Kürzlich stellte die thüringische Justiz die Ermittlungen gegen den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Mark Hauptmann ein, dem bei der Justiz eingefrorene 997.000 Euro zurückerstattet werden. Auch Hauptmann hatte Maskengeschäfte vermittelt und dabei nach Erkenntnissen der Justiz sein Mandat genutzt. Aber nach dem BGH-Urteil spielte dies keine Rolle mehr.

Jetzt ist die Aufregung wieder groß. Grüne, SPD und FDP fordern eine neue Formulierung. Die „Kommerzialisierung des Mandats“ dürfe nicht mehr möglich sein, fordert FDP-Geschäftsführer Stephan Thomae. Es ist jedoch zu befürchten, daß der neue Paragraph aus demselben Material besteht wie der alte: aus Gummi.