© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/22 / 30. September 2022

Widerstand gegen grüne Gentechnik ist kulturell tief verankert
Angst vor Autonomieverlust
(dg)

Wenn es um grüne Gentechnik ging, zeigen alle Umfragen seit 1990 eine klare Tendenz: Mehr als zwei Drittel der Deutschen lehnen den Einsatz gentechnischer Methoden in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelversorgung ab. Noch in einer Erhebung vor der Bundestagswahl 2021 äußerten 83 Prozent der Befragten, alle Gentechnikmethoden sollten auf ihre Risiken hin überprüft werden. Das Resultat spiegelt keine spezifisch deutsche Ablehnung wider, denn Franzosen, Schweizer und Griechen sind noch skeptischer, Schweden, Italiener, Belgier und Österreicher kaum aufgeschlossener ihr gegenüber. Für den Umweltsoziologen Ortwin Renn (Potsdam/Stuttgart) ist dieser Widerstand mit konkreten gesundheitlichen Bedenken oder Sorgen ums Tierwohl nicht hinreichend zu erklären. Im größeren Rahmen betrachtet, spreche sich hier vielmehr eine kulturell manifeste negative „Grundhaltung gegenüber Technisierung, Digitalisierung und Globalisierung im Weltmaßstab“ aus. Die mit diesen Trends verbundenen Änderungen würden als bedrohlich empfunden, da sie Menschen als Fremdkörper in ihrer vertrauten Welt wahrnehmen. Solche Vorboten der „Großen Transformation“ kündeten vielen nicht nur das Ende selbstbestimmten Konsumverhaltens an, sondern ließen sie den Verlust der Autonomie über ihre gesamte Lebenswelt fürchten. Renn hingegen erkennt nun, angesichts steigender Weltbevölkerung und eskalierender Nahrungsmittelknappheit, die Chance, tiefsitzende „Vorurteile“ gegen grüne Gentechnik abzubauen, die unverzichtbar sei für eine „nachhaltige“ Transformation (Aus Politik und Zeitgeschichte, 34-35/2022). 

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