© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/22 / 30. September 2022

Heizen wie einst im Schützengraben
Blumentöpfe, Teelichter, einige Schrauben: Und fertig ist der Hindenburgofen für den Blackout-Winter
Matthias Bäkermann

Der Hindenburgofen feiert „im besten Deutschland aller Zeiten“ (F.-W. Steinmeier) eine unerwartete Renaissance. In Zeiten der Krisenvorsorge sind Zeitungen und Internet plötzlich voll von Tips und Anleitungen zum Bau eines Teelichtofens, wie der kleine Umwandler von Feuer in Strahlungswärme heute bezeichnet wird. 

Bereits im Ersten Weltkrieg wurde mit Kerzen, später sogar mit Petroleum ein Blechgehäuse befeuert, das aufsteigende Hitze auffing und als Wärmequelle an die unmittelbare Umgebung abgab. Für den kühlen Unterstand oder die klammen Hände des Grabenkämpfers war das sicher ein probates Mittel, deshalb wurde das Behelfssystem analog wie das „Dosenlicht“, eine Notbeleuchtung aus einer mit Fett befüllten Pappschale, auch nach dem damals populären Feldmarschall Paul von Hindenburg benannt.

Nicht die Leistungsfähigkeit von Heizkörpern oder Kaminfeuer

Heute haben die meist aus Terrakotta- oder Tonblumentöpfen bestehenden Öfen eher die Anmutung eines Dekorations-Accessoires für kuschelige Herbstabende aus der Zeitschrift Schöner Wohnen. Und viele Schlauberger werden derzeit auch nicht müde, auf die geringe Leistung dieser „Heizalternative aus dem Preppermilieu“ hinzuweisen. Tatsächlich reichen die etwa 30 bis 40 Watt eines Teelichts nicht aus, um einen nennenswerten Wärmeeffekt zu erzeugen, nimmt man die etwa 1.400 Watt, die ein gängiger Heizkörper von 1.200 Millimetern Breite aufbringt, oder ein knisterndes Kaminfeuer zum Vergleich. 

Allerdings können zwei oder drei dieser Kachelöfen im Miniaturformat mit jeweils fünf Teelichtern bereits die Raumtemperatur eines nicht allzu großen Zimmers spürbar erhöhen, zum Erwärmen eines kleinen Badezimmers zum Beispiel reichen sie allemal aus. Und im Falle eines Ausfalls der Heizung dürfte jede noch so kleine Wärmequelle den Frierenden mit Dankbarkeit erfüllen. Erst recht, wenn während eines Blackouts im Winter mit vielleicht minus 15 Grad auch innerhalb des Hauses relativ schnell Minustemperaturen erreicht werden. 

Leider läßt sich die Anzahl der Teelichtöfen nicht unbegrenzt steigern, weil zu viele in einem Raum „auf Dauer ein Schadstoffproblem“ darstellen, weiß Reinhard Loch, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Um dies zu vermeiden, wäre regelmäßiges Lüften besonders wichtig, was wegen der entweichenden Wärme wieder kontraproduktiv ist.

Anders als viele Tips zur Krisenbewältigung, die an bestimmte Voraussetzungen wie ausreichende Lagerräume, spezielle Heizsysteme oder die Möglichkeit einer Gartennutzung gebunden sind, kann der Teelichtofen wirklich von jedermann genutzt werden und ist relativ leicht zusammenzubauen. Man benötigt nur drei oder vier unterschiedlich große Tonblumentöpfe, eine Gewindestange, Unterlegscheiben, vier Muttern und ein wenig Sand. 

In einigen Foren wird als Untersatz nur eine Tonschale vorgeschlagen, was aus Gründen der Sicherheit bedenklich ist. Für eine stabile Konstruktion, die wegen des offenen Feuers in der Wohnung unerläßlich ist, bieten sich zwei verschieden große Blumentöpfe an, von denen der innere später mit Sand gefüllt wird. Dadurch erhält der Teelichtofen das erforderliche Gewicht für einen sicheren Stand, und der Sand minimiert die Brandgefahr. 

Um einen gefährlichen Wachsbrand zu vermeiden, ist außerdem ein Abstand von mindestens zwei Zentimetern zwischen den Teelichtern einzuhalten, denn die Hitze von bis zu hundert Grad im Innern des Ofens wirkt direkt auf die Teelichter. Letzteres hat allerdings auch den Vorteil, daß das Paraffin, Stearin oder gar Wachs in den Teelichtern fast immer restlos ausbrennt, was deren Brenndauer auf zwei bis vier Stunden erhöht. 

Damit bleiben die Kosten auch überschaubar. So kosten 100 Teelichter zwischen 4 und 6 Euro, die eine Leistung von zwanzig Stunden Strahlungswärme von 200 Watt erzeugen können – allerdings gibt es schon jetzt Berichte über im Einzelhandel knapp werdende Lichter und Töpfe. Und sollte ein Blackout im kommenden Winter ausbleiben, sind die Teelichtöfen in der Grillsaison 2023 für einen optischen Effekt auf dem Gartentisch immer noch gut.

Foto: Schnell zusammen-gebastelt und für kleine Räume durchaus geeignet: Bis zu hundert Grad im Inneren