© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/22 / 07. Oktober 2022

Migrations-Welle
Die Mutter aller Krisen
Dieter Stein

Als ob eine Großkrise nicht reichen würde, kommt der Schlamassel aus gleich mehreren Richtungen auf uns zu. Gasknappheit und explodierende Energiepreise treiben immer mehr Unternehmen in den Ruin. Die sorglose Geldschwemme jahrelanger Euro-Rettung wirkt nun als Brandbeschleuniger einer galoppierenden Inflation. Dazu der Krieg in der Ukraine als Wetterleuchten am Horizont. Und der Winter hat noch gar nicht begonnen.

Da meldet sich mit Macht die Mutter aller Krisen zurück, das ungelöste Problem unkontrollierter Masseneinwanderung: Seit Wochen steigt die Migration über fast sämtliche Routen sprunghaft. Wie schlimm es ist, zeigt auch der an Bundeskanzler Scholz gerichtete Brandbrief des Landkreistages sowie Städte- und Gemeindebundes: Dort fordern die Kommunalpolitiker einen „Flüchtlingsgipfel“, weil die rasant wachsenden Zahlen inzwischen sogar schon an Merkels Chaosjahr 2015 heranreichen. Die Lokalpolitiker kritisieren, daß mit der materiellen Besserstellung der Ukraine-Flüchtlinge zusätzliche „Pullfaktoren“ geschaffen worden seien. Die Erhöhung des Regelsatzes im Bürgergeld käme nun noch dazu.

Von einer Zeitenwende ist nichts zu spüren: Über alle Routen schnellt die Migration wie 2015 wieder in die Höhe.

Der Präsident des baden-württembergischen Landkreistages, Joachim Walter (CDU), sieht die Gefahr, daß Migranten in eine „soziale Hängematte“ gelockt werden, und der grüne OB von Tübingen, Boris Palmer, prangert an, daß Leute „nur wegen dieser erhöhten Leistungsanreize ihr bisheriges Fluchtland wechseln und nach Deutschland kommen“.

Zusätzlich tickt in der Türkei eine Zeitbombe mit den dort untergebrachten vier Millionen Flüchtlingen aus Syrien. JF-Reporter Hinrich Rohbohm recherchierte, wie Schlepper mit als „Karawanen des Lichts“ titulierten Trecks Hunderttausende über die Balkanroute locken wollen. Staatschef Erdoğan könnte mit Blick auf die kommenden Wahlen erneut die Öffnung der Schleusen als Druckmittel gegen die EU nutzen. Alarmierend: Ungarn registriert 2022 trotz robuster Sperranlagen bereits 160.000 „Grenzverletzer“ gegenüber 60.000 im gleichen Vorjahreszeitraum. Dasselbe Bild in Österrreich, Tschechien und Serbien.

Von vielbeschworener „Zeitenwende“ ist hier nichts in Sicht. Deutsche Grenzen: Unkontrolliert. Abschiebungen: So wenig wie nie zuvor. Finanzielle Pullfaktoren reduzieren: Fehlanzeige. Wenn Deutschland nicht endlich aufhört, sich wie ein „Hippiestaat“(Anthony Glees) zu gebärden, wird der Aufprall in der Realität noch brutaler sein, als bereits jetzt schon abzusehen ist. Wie schon bei der ideologisch total fehlgeleiteten Energiepolitik wird die etablierte Politik erst unter dem Druck des Notstands zu grundlegenden Korrekturen zu bewegen sein.