© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/22 / 07. Oktober 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Kohl streitet um Kohl
Paul Rosen

Es hätte so ein schöner Termin werden können. Erstmals seit langem wieder trafen der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und seine Ex-Rivalin, die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel, vergangene Woche in Berlin zusammen. Dabei sollte auch daran erinnert werden, daß vor vier Jahrzehnten Helmut Kohl mittels eines konstruktiven Mißtrauensvotums im damals noch in Bonn residierenden Bundestag zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde, was das Ende der SPD-Herrschaft nach 13 Jahren bedeutete. 

Offizieller Anlaß des Treffens war die öffentliche Präsentation der 2021 per Bundesgesetz gegründeten Helmut-Kohl-Stiftung, die vom Bund mit drei Millionen Euro jährlich finanziert wird und inzwischen ihre Arbeit mit fünf Mitarbeitern aufgenommen hat. Die Stiftung soll im Abgeordnetengebäude Unter den Linden ihren Sitz haben – in unmittelbarer Nachbarschaft der Willy-Brandt-Stiftung.

Für den Vorsitz im Kuratorium der Stiftung wurde der frühere Unionsfraktionschef Volker Kauder gewonnen. Der versprach, die Stiftung wolle die politischen Leistungen Kohls mit Blick auf  deutsche Einheit und europäische Einigung darstellen. Kohls Spendengelder, die eine der größten politischen Affären der Bundesrepublik ausgelöst hatten, sollen keine Rolle spielen. 

Wermutstropfen in den Wein schüttete allerdings die Witwe des Altkanzlers, Maike Kohl-Richter. „Die staatliche Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung, die im Vorjahr auf Initiative der CDU mit einem Bundesgesetz errichtet wurde, entspricht gerade nicht dem Willen meines Mannes.“ Sie hätte daher „nicht das Recht, seinen Namen für die staatliche Stiftung zu benutzen und in seinem Namen aufzutreten und zu handeln.“

Das sind harte Worte der Witwe gegen die Fraktionen des Bundestages, die mit Ausnahme der AfD alle für die Aufstellung der Stiftung gestimmt hatten. Maike Kohl-Richter war auch ein Sitz in den Leitungsgremien der Stiftung angeboten worden, woraus aber bisher nichts wurde. Dem Ton des Briefs der Altkanzler-Witwe und auch eines Schreibens ihrer Rechtsanwälte ist zu entnehmen, daß eine Versöhnung in weite Ferne gerückt ist: „Auch eine öffentliche Person ist in einem Rechtsstaat wie Deutschland nicht staatliche Verfügungsmasse“, argumentiert Maike Kohl-Richter. 

Der Grund für die verbale Bissigkeit: Eine Kohl-Stiftung will die Witwe selbst einrichten. Diese Stiftung soll in Kohls Heimat Ludwigshafen-Oggersheim ihren Sitz haben, wo es auch ein Kohl-Museum geben soll. Nach Presseberichten verfügt Maike Kohl-Richter über 400 Aktenordner mit Unterlagen des Ex-Kanzlers, die sie nutzen könnte.  

Der Drohung der Anwälte der Kohl-Witwe mit einer Klage gegen die Namensführung dürften Kauder und seine Stiftung gelassen entgegensehen. In der Bundesrepublik gehört es zur guten Tradition, das Wirken ehemaliger Bundeskanzler mit einer staatlichen Stiftung zu würdigen. Nur im Falle von Gerhard Schröder erscheint das aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich.