© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/22 / 07. Oktober 2022

Gerüchte um die Credit Suisse – droht ein neuer Lehman-Moment?
Retter riskieren Geldwert
Thorsten Polleit

Das Schlimmste, was einer Bank passieren kann, ist in Mißkredit zu geraten. Denn dann droht ihr, von den Kreditmärkten abgeschnitten zu werden. Im Extremfall ziehen die Kunden ihr Geld ab. Ein solcher „Bank Run“ kann das ganze Bankensystem erfassen. Deswegen wächst jetzt die Sorge um die Credit Suisse – mit einer Bilanzsumme von 727 Milliarden Franken ein Schwergewicht. Während das Management der Zürcher Großbank auf die solide Eigenkapitalbasis und Liquiditätsausstattung verweist, halten sich die Zweifel am Geschäftserfolg hartnäckig, wie der seit Jahresanfang um etwa 60 Prozent gesunkene Aktienkurs dokumentiert.

Die Erfahrung zeigt jedoch, daß nicht der Zusammenbruch des Bank- und Finanzsystems, das Schreckensszenario ist, mit dem Anleger zu rechnen haben, sondern viel wahrscheinlicher ist im Fall der Fälle die „Rettung“: Strauchelnde Banken werden von den Zentralbanken liquide gehalten. Und sollte den Geldhäusern das Eigenkapital ausgehen, springt der Staat ein: Die Zentralbank kauft neue Staatsanleihen und bezahlt sie mit neuem, aus dem Nichts geschaffenen Geld; und das neue Geld wird dann als Eigenkapital in die Bank eingezahlt. Der Kollaps ist abgewendet, die Bank verstaatlicht. Die Politik der „Rettung ohne Rücksicht auf Verluste“ ist kein Einzelfall mehr. Vorige Woche entschied sich die Bank von England (BoE) plötzlich, ihre Wertpapierkäufe und damit die Politik der verstärkten Geldmengenausweitung fortzusetzen. Die rasant steigenden Zinsen hatten nämlich Pensionskassen in Schieflage gebracht und drohten zudem den Hypothekenmarkt aus den Angeln zu heben. Die BoE drückte daraufhin die Marktzinsen wieder nach unten – und die Botschaft lautete: Ehe der Finanzsektor abstürzt, wird neues Geld geschaffen, um die Zahlungsfähigkeit der „systemrelevanten“ Akteure zu gewährleisten.

Wohin aber führt das? Die leidvolle Geschichte mit dem ungedeckten „Fiat-Geld“ zeigt, daß Regierende wie auch Regierte in der „Stunde der Not“ im Ausweiten der Geldmenge das kleinere Übel erblicken. Nach dem Motto: Lieber die Geldmenge erhöhen, als Rezession, Massenarbeitslosigkeit und Bankenpleiten zuzulassen. Das aber ist der sichere Weg in eine immer ungehemmtere Inflationspolitik, durch die Dollar, Euro, Pfund & Co. unbarmherzig entwertet werden.