© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/22 / 07. Oktober 2022

Das linke Konstrukt eines religiösen Rechtsradikalismus
Renaissance politischer Theologie
(dg)

Vierzig Prozent der praktizierenden Katholiken in Frankreich gaben im ersten Wahlgang zur Präsidentschaft 2022 den drei Kandidaten der extremen Rechten ihre Stimmen, 17 Prozent davon dem „verurteilten Volksverhetzer Eric Zemmour“. Für den emeritierten Politologen Claus Leggewie (Gießen), einen Veteranen des wissenschaftlich verbrämten „Kampfes gegen Rechts“, sind das Zeichen an der Wand, die von einer „Renaissance der politischen Theologie in antidemokratischen Strömungen“ künden (Merkur, 8/2022). Auch jenseits des Atlantik, wo er ungeachtet der Abwahl Donald Trumps weiterhin finstere Feinde der schönen neuen Welt der Woken und Megareichen am Werk sieht, die seine Warnung rechtfertigen: „Das evangelikale Amerika greift an“. Radikale Gruppen hätten „Trumps Staatsstreichversuch“ vom 6. Januar 2020 unterstützt, und auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2024 sei ihm der Zuspruch jener weißen Evangelikalen sicher, die sich in den eskalierenden „culture wars“ an die Wand gedrückt fühlten. Dabei würden hier nicht „rassistische Rechtsradikale“ einen religiösen Zug kapern, sondern umgekehrt sauge eine ressourcenstarke Religionsgemeinschaft zu erheblichen Teilen den „weißen Rassismus und Suprematismus“ auf. In Deutschland hingegen sei eine religiös grundierte „Kulturrevolution von rechts“ gottlob ausgeblieben, weil die Christdemokraten die linke Kampfansage von 1968 als Aufforderung zur Modernisierung begriffen hätten, das C in ihrem Parteinamen seitdem „nur noch ein Ornament“ sei und die von ihnen errichtete „Trennmauer nach Rechtsaußen“ gegen Parteien wie die AfD nicht wanke. 


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