© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/22 / 07. Oktober 2022

Umwelt
Oldtimer kommen zurück
Paul Leonhard

Hamstern, Vorratswirtschaft, kreative Lösungen – für Ex-DDR-Bürger, vom Arbeiter bis zum Kombinatsleiter, ist das nicht Neues. Und östlich von Oder und Bayerischem Wald weiß man sich auch jetzt zu helfen. Im Geltungsbereich der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) trauen sich seit dem VW-Dieselgate nur noch wenige an Motorsteuergeräte heran. Aber was tun, wenn sich AdBlue von 13 Cent auf bis zu vier Euro pro Liter verteuert hat und Öko-Harnstoff Mangelware ist? Die Stickstoffwerke Piesteritz hatten die Produktion wochenlang eingestellt, weil es das billige Putin-Gas nicht mehr gab und sich die Herstellung nicht mehr rechnete. Die BASF in Ludwigshafen lieferte weiter – aber wie lange noch? Auch in Polen, Portugal, Kroatien und Frankreich wurde die Ammoniakproduktion heruntergefahren – doch ohne Ammoniak kein AdBlue und keine wirksame Diesel-Abgasreinigung (SCR).

Von 80.000 Bussen müßten bei einem anhaltenden AdBlue-Mangel vier von fünf stillgelegt werden.

Wer Stickoxide ausbläst, darf nicht in die Umweltzonen der Städte einfahren – selbst wenn die Fahrzeuge den ÖPNV sicherstellen. Von 80.000 Bussen müßten ohne AdBlue vier von fünf stillgelegt werden, warnt Till Dreier vom Omnibus-Verband BDO. Betroffen sind auch Lkws, Baumaschinen und die Technik der Bauern. Nur wer seine Oldtimer – vom IFA L60 über den Lanz Bulldog bis zum Unimog  und dem VW T3 – nicht ausgemustert hat, ist fein dran: Die haben weder SCR-Kat noch Software. Doch an letztere muß man wohl auch im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat, heran – eine StVZO-Ausnahmegenehmigung ist nötig. Die Politik muß abwägen, was ihr mehr am Herzen liegt: die Luftreinheit oder das Volk und die Wirtschaft. Der im grünen Zeitgeist segelnde ADAC will dieses Tabu nicht brechen, er hat aber Tips für „Autofahrende“: „Bei Verfügbarkeit den AdBlue-Tank so gut wie möglich auffüllen. So kann man einem längeren Engpaß in diesem Winter aus dem Weg gehen.“ Hamsterkäufe seien „nicht ratsam, eine kleine Reserve zu Hause ist aber auf jeden Fall sinnvoll“.