© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

Meloni läßt sich nicht beeinflussen
Italien: Die Regierungsbildung der Mitte-Rechts-Koalition läßt auf sich warten / Technokraten könnten an ihr beteiligt sein
Fabio Collovati

Es wird ernst für Giorgia Meloni. Allgemein wurde erwartet, daß die 45jährige Wahlsiegerin an diesem Donnerstag den Auftrag des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella zur Regierungsbildung erhält. Gleichzeitig soll die Spitzenkandidatin der Rechtspartei Fratelli d’Italia (FdI )eine zwölfköpfige Ministerliste präsentieren, die der Präsident absegnen muß. Dabei steht für Meloni viel auf dem Spiel. Einerseits darf sie ihre Bündnispartner Matteo Salvini (Lega) und Silvio Berlusconi (Forza Italia) nicht brüskieren, andererseits wäre es nur allzu peinlich, sollte Mattarella einige Kandidaten für nicht ministrabel halten. 

In der vergangenen Woche hat die auf 8,8 Prozent zurechtgestutzte Lega ihrem Vorsitzenden Matteo Salvini „freies Mandat“ für Personalvorschläge erteilt. Es ist kein Geheimnis, daß der strauchelnde Lega-Boß, der um seine politische Zukunft kämpfen muß, gerne erneut Innenminister werden würde. Es ist aber ebenso ein offenes Geheimnis, daß der Präsident ihn für nicht geeignet hält. „Andere Posten in anderen Ministerien interessieren mich nicht“, wurde Salvini kürzlich zitiert. 

Vor Tagen wurde bereits bekannt, daß er mit dem Ausstieg aus dem Rechtsbündnis gedroht habe, wenn Meloni ihm nicht gibt, was er will. Berlusconi hat sich ähnlich geäußert. „Über die Personalien, die uns betreffen, entscheiden wir und nicht Meloni“, sagte er Teilnehmern zufolge anläßlich seiner 86. Geburtstagsfeier. Nadia Urbinati, Politiktheoretikerin an der Universität von Bologna, sagte kürzlich gegenüber der Wochenzeitung Freitag, Meloni werde „natürlich“ die Koalition anführen: „Salvini ist im Niedergang begriffen, und für einen größenwahnsinnigen Mann wie ihn wäre das unerträglich, so daß es wahrscheinlich zu psychologischen Spannungen kommen wird. 

Meloni selbst hat ihre bisherigen Partner zu Wochenbeginn aufgerufen, rational zu handeln: „Wir müssen gemeinsam entscheiden, was das Beste für unser Land ist.“

 Daß Salvini mit seinen knapp neun Prozent die Regierung platzen lassen wird, galt in Italien in den vergangenen Tagen dennoch als eher unwahrscheinlich. Ende Oktober steht der mit Spannung erwartete Parteitag der Lega an. Sollte Salvini mit gescheiterten Verhandlungen dort aufschlagen, könnte es sein politisches Aus bedeuten. 

EU-Parlamentarier setzen Silvio Berlusconi unter Druck

Die italienische Politik war in den vergangenen Jahren reich an Neugründungen, Abspaltungen und Kehrtwendungen. Und so war es keine Überraschung, daß sich kurz nach der Wahl ein „dritter Block“ ins Gespräch brachte. 

Der frühere Ministerpräsident Matteo Renzi und Carlo Calenda vom Zentrumsbündnis „Azione – Italia Viva“ scheinen bereit einzuspringen, sollte Salvini abspringen. Calenda wurde in einem Radio-Interview bereits sehr deutlich: „Natürlich werden wir die Regierung nicht durch die eigenen Stimmen ins Amt bringen. Aber was danach kommt, ist offen.“ Da werde man „jedes Vorhaben prüfen, und wenn wir die der Regierung gut finden, stimmen wir dafür“, so Calenda, der dies als Normalität darstellte: „So macht man das als Opposition in einer Demokratie.“ 

Aus dem Rechtsbündnis könnte urplötzlich ein Mitte-Rechts-Bündnis werden, und italienische Medien berichteten, daß dies  Berlusconi auch in die Karten spielen würde. Die Forza Italia gehört in Europa der liberal-konservativen EVP an. CSU-Vize Manfred Weber, der Wahlkampf für Berlusconi machte, ist  auch Chef der EVP-Fraktion im EU-Parlament. In der vergangenen Woche forderten  mehrere EU-Parlamentarier Weber auf, Einfluß auf Berlusconi zu nehmen. Man bitte Weber als EVP-Chef, den italienischen Mitgliedern zu kommunizieren, „daß es keine Beteiligung der EVP an einer rechtsextremen Regierung in Italien geben darf“. 

Andernfalls dürfe die Forza Italia keine Zukunft in der EVP haben, heißt es in dem Schreiben. Italienische Medien schrieben zudem, daß der noch amtierende Ministerpräsident Mario Draghi zugesagt habe, die auf europäischem Terrain noch unbekannte Meloni „einzuführen“, sollte diese EU-freundlich agieren. In dieses Bild paßt, daß der Forza-Italia-Politiker Antonio Tajani Top-Kandidat für das Außenministerium ist. Der ehemalige Präsident des EU-Parlaments genießt in Brüssel einen guten Ruf. Alle diese Entwicklungen zeigen, daß Salvini nicht in der Position für überzogene Forderungen ist. 

Ergo unterstrich Meloni am Montag, daß die Zusammensetzung der neuen Mitte-Rechts-Regierung in erster Linie von den Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder abhängen werde. „Wir wollen eine autoritative Regierung auf hohem Niveau ins Leben rufen, die sich auf Kompetenzen stützt“, betonte Meloni. In dieser könnten dann möglicherweise sogar nicht-politische Technokraten an der Spitze einiger Ministerien stehen.

Foto: Giorgia Meloni (FdI) und Matteo Salvini (Lega): Letzterer muß sein Wahldesaster verdauen, Ratschläge kommen da nicht gut an