© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

Milliardenschwere Anleihen-Rückkäufe bei Großbank Crédit Suisse
Auf Achterbahnfahrt
Thomas Kirchner

Eine schwere Rezession droht als Folge der Rußland-Sanktionen. Europäische Banken sind dabei besonders gefährdet. In den Negativschlagzeilen steht seit Wochen schon die 1856 gegründete Schweizerische Kreditanstalt, seit 1997 Crédit Suisse (CS) genannt. Die Rating-Agenturen stufen die Zürcher Großbank nur noch als BBB ein, die niedrigste Stufe für Schuldner mit guter Bonität. Entsprechend hoch sind die Finanzierungskosten. Der Aktienkurs hat seit 2018 80 Prozent verloren, seit dem Höchststand 2007 sogar 94 Prozent. Derivate zur Absicherung gegen einen Kreditausfall sprangen zeitweise auf eine jährliche Versicherungsprämie von 3,72 Prozent. Beim Schweizer Rivalen UBS stieg sie nur auf 1,26 Prozent. Bei der Pariser BNP oder der Amsterdamer ABN Amro sind es nur 0,9 Prozent.

Doch die CS steht besser da, als die mediale Stimmung ahnen läßt. Nach Verlusten von 4,4 Milliarden Franken durch den Zusammenbruch des New Yorker Hedgefonds Archegos von Sung Kook Hwang und bis zu 1,5 Milliarden durch die Factoringfirma Greensill schrumpfte das CS-Eigenkapital, die Eigenkapitalquoten sind aber mit 14 Prozent noch ausreichend. Verluste aus dem laufenden Geschäft könnten dies jedoch erodieren lassen. Verkäufe und Entlassungen sollen 1,5 Milliarden Franken einsparen, kündigte CS-Chef Ulrich Körner zunächst an. Die Reaktion der Märkte fiel aus wie bei dem britischen Haushalt von Premierministerin Liz Truss: die Aktie fiel, Kosten für Kreditversicherungen gingen durch die Decke. Analysten der Deutschen Bank schätzen, daß durch die CS-Restrukturierung ein Loch von vier Milliarden Franken droht. Erst als Körner den Rückkauf eigener Anleihen für drei Milliarden ankündigte, beruhigten sich die Anleger wieder: Die gefallene CS-Aktie legte um 23 Prozent zu.

Der Verkauf der Investmentbank wäre eine radikale Kehrtwende, seit die CS mit dem Einstieg bei der New Yorker First Boston 1982 in die Weltliga aufstieg. Langfristig ein hochrentables Segment, derzeit produziert die Sparte jedoch weniger als halb soviel Gewinne wie das Filialgeschäft in der Schweiz, obwohl es 40 Prozent mehr Kapital beansprucht. Ob das wirklich Risiko reduziert, ist unklar, denn das Greensill-Problem lag im Bereich der Vermögensverwaltung, die nicht verkauft werden soll. Der Anstieg der Finanzierungskosten ist aber auch eine Folge der neuen Insolvenzregeln für Banken. Weil sich die Politik 2008 nicht traute, Banken in Insolvenzverfahren zu restrukturieren, mußten Anleger von Bankanleihen keine Verluste erleiden. Deshalb wurde mit dem sogenannten Bail-in festgelegt, daß im Fall einer Rettung Anleihen automatisch einen Kapitalschnitt erleiden, so wie es in einem Insolvenzverfahren ohnehin der Fall wäre.

Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Dynamik: wenn Verluste drohen, bricht Panik aus. Entsprechend schwach notieren die betroffenen Anleihen. Kurswerte sind von 100 Prozent am Jahresanfang auf nur 60 gefallen, was Renditen von 13 Prozent ergibt – zumindest solange die Bank solvent bleibt. Doch Angst vor einer Wiederholung der Lehman-Panik von 2008 ist unberechtigt. Erstens hat die CS 19,4 Prozent Gesamtkapital, deutlich mehr als die 12,9 Prozent im Jahr 2007 vor der Finanzkrise. Zweitens hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) trotz eines Rückgangs immer noch mehr Devisenreserven, als die CS-Bilanzsumme ausweist. Eine Bankenrettung wäre deshalb sogar komplett in Fremdwährung möglich.