© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

Lohnt sich die teure Twitter-Übernahme für Elon Musk?
Chance für eine freie Debatte
Ronald Gläser

Elon Musk hat bis Ende Oktober Zeit, 44 Milliarden Dollar aufzutreiben, um Twitter zu kaufen. Dann kann der Tesla-Chef einen Prozeß wegen der gescheiterten Übernahme abwenden. Diesen würde er vermutlich verlieren. Musk hatte im Sommer seine Ankündigung, Twitter zu übernehmen, rückgängig gemacht. Twitter beherberge zu viele Fake-Nutzer, was vom Twitter-Management aber bestritten wird. Die Führung des Mikroblogdienstes hatte sich zunächst gegen die Übernahme gewehrt. Jetzt will sie Musk unbedingt als neuen Eigentümer. Doch selbst der laut Forbes mit 210 Milliarden Dollar reichste Mann der Welt müßte dafür Aktien verkaufen, Banken und einen arabischen Prinzen um Geld „bitten“.

Welches Ziel verfolgt Musk? Plant er die Twitter-Übernahme, um Tesla und seine Weltraum-Firma SpaceX noch bekannter zu machen? Wohl kaum. Oder geht es ihm einfach darum, noch mehr Geld zu verdienen? Auch das ist mehr als fraglich. Twitter hinkt Konkurrenzseiten wie Facebook oder dem chinesischen Netzwerk Tiktok hinterher, nicht nur was die Nutzerzahlen angeht. Bislang wies das Unternehmen aus San Francisco nur zweimal Gewinne aus. Auch wenn sich die Nutzerzahl abermals vervielfachen ließe, so wäre Twitter keine Goldgrube. Jedenfalls nicht gemessen an dem Kaufpreis von 44 Milliarden Dollar. Das höchste Betriebsergebnis lag im Jahr 2018 bei 453 Millionen Dollar. Dafür den hundertfachen Preis zahlen? Zum Vergleich: Das Ergebnis des gerade an die Börse gegangenen Autoherstellers Porsche war mit 4,57 Milliarden Euro zehnmal so hoch. Die Börse bewertet den bislang zu VW gehörenden deutschen Sportwagenhersteller (37.000 Mitarbeiter) mit 88 Milliarden Euro zweimal so wertvoll wie das Twitter-Netzwerk.

Somit spricht vieles dafür, daß Elon Musk die Übernahme wirklich deswegen plant, weil er sich über die eingeschränkte Meinungsfreiheit und die „woke“ Debattenkultur im Netz und bei Twitter im speziellen ärgert. Musk hatte bereits angekündigt, das im Januar 2021 gesperrte Twitter-Konto von Donald Trump (zuletzt 88 Millionen Follower) wiederherstellen zu lassen. Gut, daß die drohende Niederlage vor Gericht ihn jetzt dazu zwingt, den Kauf zu vollziehen. Denn auch wenn das gut für die Meinungsfreiheit sein könnte – wirtschaftlich wird es für den Investor vermutlich kein gutes Geschäft sein.