© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

Blick in die Medien
Kinokritik mit Stil
Tobias Dahlbrügge

Wolfgang Schmidt lebt im falschen Jahrzehnt: Der 36jährige nennt sich mondän „Wolfgang M. Schmitt junior“ und inszeniert sich als Kritiker-Papst, vor dessen scharfer Klinge die Künstler zittern.

Seit über zehn Jahren seziert er Literatur und Leinwandwerke für Leser der Neuen Zürcher Zeitung bis zum Freitag – und vor allem auf seinem Youtube-Kanal „Die Filmanalyse“.

Alle Genres von der Netflix-Serie über Kinderfilme bis zum Bollywood-Blockbuster werden seziert.

Im konservativen Look mit Hemd und Jackett sitzt er in einem Ledersessel vor einer Bücherwand im Schein der Bankerlampe und monologisiert über aktuelle Produktionen und Klassiker – und bügelt oft gegen den Kritiker-Strom. So läßt er beispielsweise an Bully Herbigs vielgelobten „Tausend Zeilen“ kein gutes Haar, weil er den Film unangenehm „belehrend“ findet und das Werk das eigentliche Thema verfehlt: nämlich den „Storytelling“-Journalismus, der, statt Fakten zu bieten, glaubt, eine emotionale Geschichte stricken zu müssen.

Schmidt rechnet elaboriert und ruhig, aber scharf mit dem Diversity-Wahn der großen US-Studios ab und analysiert, warum deutsche Komödien nie lustig sind: Weil sie „für Leute, die funk-Inhalte konsumieren“, sind. Dazu sagt er hinterhältig: „Man möge mir Gegenbeispiele nennen … aus den letzten zehn Jahren!“ Der Rheinländer findet Til Schweiger „schlimm“ und beklagt, daß Loriot heute überall fehlt.

Der Kritiker widmet sich allen Genres: Er bespricht Netflix-Serien, Ikonen wie Fitzcarraldo, stellt aber auch einen indischen Blockbuster vor und zerpflückt genüßlich die „falsche Toleranz“ im neuesten woken „Bibi & Tina“-Kinderfilm.

Es ist nicht jedes Wort Gold, aber den Untertitel „Kino anders gedacht“ löst der Kenner zweifelsfrei ein. Seine wöchentliche „ideologiekritische Analyse“ beleuchtet Filme tatsächlich aus einer neuen Perspektive und führt manchmal zu verblüffenden Schlüssen.

Selbst wenn man nicht immer mit „M. Schmitt junior“ übereinstimmt, hat seine stilvolle Retro-Selbstdarstellung etwas anheimelnd Meditatives – er sollte die Folgen in Schwarzweiß produzieren.