© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

Der Weg der Ukraine in den Europäischen Hochschulraum
Prekäre Autonomie
(dg)

Das ukrainische Hochschulwesen entstand in weiten Teilen im 20. Jahrhundert und gründete auf dem sowjetischen Bildungsmodell. Das war geprägt durch zentralisierte und politisierte Bildung, hierarchische Strukturen und strikte Trennung von Forschung und Lehre. Zugleich dominierten die technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen. Erst seit 1991, als souveräner Staat, konnte die Ukraine ihre Bildungspolitik „selbstbestimmt“ gestalten. Freilich, wie der Osteuropa-Forscher Eduard Klein (Uni Bremen) in seinem Überblick zur ukrainischen Bildungsgeschichte einräumt, war dies stets eine prekäre Autonomie. Denn zunächst seien die Reformversuche der 1990er nicht umfassend genug gewesen, um das verkrustete Hochschul- und Wissenschaftssystem grundlegend zu „modernisieren“ (Deutsche Universitätszeitung, 8/2022). Erst ab 2008 habe es die wirtschaftliche Konsolidierung erlaubt, etwas die korruptionsanfälligen Aufnahmeprüfungen an den Universitäten abzuändern. Nachdem die Ukraine sich 2005 für die „Bologna-Reform“ öffnete, wurde dessen Bachelor- und Master-System übernommen. Ob die von ihm emphatisch begrüßte „europäische Modernisierung“ auch den Einzug von Gender Studies und Cancel Culture in ukrainische Hörsäle zur Folge hatte, verrät Klein leider nicht. 


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