© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

„Gewalttätige Fürsorge“
Grüne Fakenews zum Tod von Petra Kelly und Gert Bastian
Werner Becker

Weil sie ihre Nachbarn schon seit Wochen nicht mehr gesehen hatte, verschaffte sich eine besorgte Bonner Bürgerin am Abend des 19. Oktober 1992 mittels des ihr überlassenen Zweitschlüssels Zugang zu dem Reihenhaus von Gert Bastian und Petra Kelly. Dabei stieß sie auf die Leichen des Generalmajors a. D. und seiner Lebensgefährtin. Die beiden waren seit 1980 ein Paar und zugleich wichtige Aushängeschilder der Partei Die Grünen. Der ehemalige Panzersoldat Bastian, weil er zu den prominentesten Gegnern des Nato-Doppelbeschlusses zur Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen in Westeu-ropa zählte. Und Kelly wegen des Umstandes, daß sie die Öko-Partei mitbegründet hatte und als international anerkannte Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin galt.

Zwei Tage nach der Entdeckung der Toten gab der Leiter der Bonner Mordkommission, Hartmut Otto, bekannt, hier liege ohne Zweifel ein Fall von erweitertem Suizid vor. Laut Darstellung der Ermittlungsbehörden erschoß Bastian die schlafende Kelly irgendwann am späten Vormittag des 1. Oktober 1992 mit einer Deringer-Pistole und tötete sich dann anschließend selbst mit der gleichen Waffe. Über die Motive hierfür wird seit dreißig Jahren spekuliert, wobei die folgende Version im Hinblick auf die Lebenssituation des Paares sowie die Tatortbefunde und Obduktionsberichte am wahrscheinlichsten ist: Kelly litt unter schweren Angstzuständen, woraus eine extreme Abhängigkeit von dem fast 25 Jahre älteren Bastian resultierte, der wiederum herzkrank war und jederzeit mit seinem plötzlichen Ableben rechnen mußte. Deshalb handelte der Ex-General vermutlich aus „gewalttätiger Fürsorge“ gegenüber Kelly.

Trotz der recht eindeutigen Sachlage kam bald das Gerücht auf, die beiden seien ermordet worden, wobei eine lange Liste möglicher Täter präsentiert wurde, die von Auftragskillern sowjetischer Geheimdienste oder der „Atommafia“ bis hin zu gewalttätigen Neonazis reichte. An der Verbreitung solcher Verschwörungstheorien beteiligten sich auch Politiker der Grünen, welche davon abzulenken versuchten, wie sehr der tragische Tod von Kelly und Bastian dem Image der Partei schadete, die einst angetreten war, „Politik menschlicher zu gestalten“. 

Denn die tödliche Krise, in der sich das Duo befand, hatte nicht nur medizinische Gründe. So verweigerten die Grünen der zunehmend überspannt auftretenden Kelly 1991 die Gefolgschaft, als diese erneut für das Amt der Bundesvorstandssprecherin kandidierte. Dazu kamen finanzielle Probleme und der bis heute im Raum stehende Vorwurf, Bastian und die von dem Militär mitbegründete Organisation „Generäle für den Frieden“ hätten im Solde der DDR-Staatssicherheit gestanden.