© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

Verschwörungstheorien mit gewisser Substanz
Wolfgang Effenberger über Einflüsse US-amerikanischer Superreicher auf die Kriegs- und Außenpolitik in den vergangenen hundert Jahren
Jörg M. Schierholz

Kriege müssen finanziert werden – und sie lohnen sich immer für eine kleine Elite. In welchem Maße dies seit Jahrhunderten geschieht und welche Mechanismen in Politik, Gesellschaft und Medien wirken, ist Gegenstand  des neuesten Buches von Wolfgang Effenberger. 

Von der ersten globalen militärischen Auseinandersetzung, dem Siebenjährigen Krieg in Eu-ropa und Nordamerika bis zur Agenda 2030 wird der Einfluß unterschiedlicher, meist demokratisch nicht legitimierter Seilschaften auf die Transformation von Gesellschaft, Frieden und Freiheit analysiert. Wer wissen will, wie die mündige „Zivilgesellschaft“ zum Nutzen superreicher Cliquen manipuliert wird, findet viele, durch akribisch herausgearbeitete Quellen belegte Zusammenhänge, fernab simpler Verschwörungstheorien.

Wolfgang Effenberger war Bundeswehroffizier im Bereich des von den USA vorbereiteten „atomaren Gefechtsfeldes“ in Europa und ist studierter Politikwissenschaftler. Seit mehr als zwanzig Jahren publiziert er Bücher und Artikel zur jüngeren deutschen Geschichte.

Wie mit Hilfe angelsächsischer Zahlungen Friedrich II. von Preußen in die Lage versetzt wurde, den Siebenjährigen Krieg zu beginnen, um damit die kontinentaleuropäischen Militärkräfte Frankreichs, Rußlands und Österreichs zu binden und die britische Expansion in Asien, Amerika und im Orient abzusichern, ist ein interessantes, kaum bekanntes Detail der Geschichte. Als England seine kolonialen Ziele fast erreicht hatte, wurden die Zahlungen an Preußen eingestellt. Nur durch glückliche Umstände entkam Preußen der vollständigen Vernichtung. Vom amerikanischen Bürgerkrieg, der gezielten Eliminierung der amerikanischen Urbevölkerung und dem Aufstieg superreicher Magnaten wie du Pont, Morgan, Rockefeller, Carnegie und Vanderbilt und deren enge Verbindung zu Politik, Geheimdiensten, Militär und Medien wird die Geschichte des modernen, beweglichen Kapitals neu erzählt. 

Unheilvolle Rolle des US-Großkapitals im Ersten Weltkrieg

Aufschlußreich ist die Darstellung der von einer kleinen Gruppe geplanten kriegerischen Auseinandersetzung gegen die europäischen Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn, deren Finanzierung über US-Kapital, der dadurch notwendigen Gründung der US-Zentralbank Fed und die Torpedierung deutscher Friedensangebote Mitte des Ersten Weltkriegs. Die traumhaften Gewinne großer US-Konzerne durch den Krieg und die Aufarbeitung der Verstrickung dieser Konzerne in das Kriegstreiben wurden später vom amerikanischen Kongreß untersucht (Nye-Committee). Es wurde belegt, wie die Außenpolitik manipuliert wurde und die USA in den Krieg getrickst wurden. Trotz eindeutig belastender Fakten wurde in den USA niemand der „Merchants of Death“  – so der Titel einer 1934 von den US-Journalisten Helmuth C. Engelbrecht und Frank C. Hanighen veröffentlichten Studie – zur Rechenschaft gezogen; dem Untersuchungsausschuß wurden letztlich die Mittel gestrichen. 

Geschickt wurden von den „Kaufleuten des Todes“ nach 1918 mit den Kriegsverlierern Deutschland und der Sowjetunion gute Geschäfte gemacht ,und die durch US-Kredite abgesicherten deutschen Reparationszahlungen führten aufgrund der sofortigen Rückzahlung aller Kredite nach dem Finanzcrash 1929 zu dem katastrophalen Wirtschaftseinbruch in Deutschland. Sowohl mit dem Dritten Reich als auch dessen Klassenfeind Sowjetunion wurden von den US-Multis gute Geschäfte gemacht, noch bis in die Mitte des Zweiten Weltkrieges mit „Hitlerdeutschland“. Es störte ebenfalls kaum, daß die industriellen Großprojekte in der Sowjetunion nicht mit enthusiastisch jubelnden Kommunisten, sondern durch die Perfektionierung des Gulag-Systems mit mehr als vier Millionen Toten realisiert wurden.

Die Verbindungen der Bush-Dynastie mit dem angelsächsischen Geldadel, dem NS-Geldadel, die Verbindungen und Bedeutung wichtiger Gremien wie die Trilaterale Kommission und das Council of Foreign Relations sowie die Arbeit in der CIA werden im Zusammenhang als Transmissionsriemen für die US-Eliten erklärt.

Hintergründe zum Marshall Plan, dem National Security Act, des „Krieges gegen den Terror“, ferner typisch imperiale „Arbeitsweisen“ gegenüber Entwicklungsländern, berichtet vom Bestseller-Autor John Perkins („Economic Hit Man“, 2004), sowie zu globalen Ölinteressen werden von Effenberger transparent erläutert. Der Autor versucht zudem, Einblicke in die Vernetzung der Nachrichtenagenturen mit dem Großkapital zu bieten und die Rolle dieser Finanziers auf global agierende NGOs wie zum Beispiel Campact zu beleuchten. Zudem geht er auf die Rolle von „Philanthropen“ wie Bill Gates und George Soros in diesem Gespinst ein. Auch neuere Entwicklungen wie die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg werden unter dem Gesichtspunkt des Nutzens für die Machteliten analysiert.

Wolfgang Effenberger: Die unterschätzte Macht. Von Geo- bis Biopolitik – Plutokraten transformieren die Welt. Verlag zeitgeist Print & Online, Stuttgart 2022, gebunden, 464 Seiten, 24,90 Euro