© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

Frisch gepreßt

Migration. Ein Banner quer über der Hauptstraße mit der Verheißung, daß ihr schwäbisches Heimatdorf nun „bunt wird“, hat Luise Sommer veranlaßt, in ihrem Umfeld nach Für und Wider von Einwanderung zu fragen. Dabei wurden in den 43 Interviews quer durch verschiedene Milieus und Altersgruppen diverse Faktoren abgeklopft. Neben Vorteilen wie benötigten Arbeitkräften und besserer demographischer Zusammensetzung oder „Sinngebung für die Helfer“ wurden auch Nachteile wie die wahrgenommene Ausnutzung des Sozialstaats, höhere Kriminalität, Senkung des schulischen Niveaus oder beschränkter Wohnraum durchdekliniert. Oftmals sah es Sommer bei ihren Interviewpartnern im Verlauf des Gesprächs heraussprudeln, nicht selten verhedderten diese sich mit merkbar vorgestanzten Urteilen aus Medien und Politik in Widersprüchen, vor allem jene, die „die sich im Urteil nicht festlegen wollten“. Spontane Einstellungen, die meist viel Positives in der Migration erkennen wollten, änderten sich während des Gesprächs plötzlich, wenn es um Einschätzungen persönlicher Perspektiven zu Integration oder Zusammenleben ging, nicht selten blieb die kulinarische Bereicherung als allerletzter Vorteil bestehen. Leider ist die Aufbereitung etwas chaotisch gelungen, so daß am Ende tatsächlich nicht mehr als ein „Gedankengerüst“ geboten wird. (bä)

Luise Sommer: Intuition sticht Vernunft. 43 Interviews zu Migration in Schwaben. Wie entsteht Meinung. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2022, broschiert, 171 Seiten, 17,80 Euro





Antifa. Richard Rohrmoser ist promovierter Zeithistoriker und beschäftigt sich mit Protestgeschichte und Konfliktforschung. Sein neues Buch „Antifa – Porträt einer linksradikalen Bewegung“ beschreibt den Hang zur Sektiererei und internen Kämpfen sowie die Unfähigkeit, geschlossen aufzutreten, als historische Konstante der politischen Linken. Dabei geht der Autor historisch weit zurück, er schreibt über die kollektive Kriegsbegeisterung der Deutschen kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs und die Rolle der SPD, die erst lautstark gegen den Krieg protestierte, doch später im Reichstag mit überwältigender Mehrheit die Kredite für dessen Finanzierung bewilligte. Daß der Autor die Krawalle der „Black Lives Matter“-Bewegung in den USA im Frühjahr 2020, bei denen über 20 Menschen starben, als „Protestwelle“ verharmlost, deutet bereits an, wes Geistes Kind Rohrmoser ist. Da wäre das obligatorische Gendern, etwa bei „Arbeiter*Innen-Bewegung“, nicht mehr nötig gewesen. Wer darüber hinwegsieht, erhält eine interessante Lektüre über die außerparlamentarische und alles andere als friedfertige Linke der 1920er Jahre und deren Entwicklung bis heute. (st)

Richard Rohrmoser: Antifa – Porträt einer linksradikalen Bewegung. Verlag C.H. Beck, München 2022, broschiert, 208 Seiten, 16 Euro