© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

Umwelt
Zweierlei Dieselfahrzeuge
Jörg Fischer

In vielen Ländern der Welt sind Gebrauchtwagen aus Deutschland äußerst beliebt, denn hier gibt es keine stinkenden Rostlauben. Es gelten strenge Zulassungsregeln, und diese werden von Ingenieuren auf gesetzlicher Grundlage überprüft. Seit 1938 gibt es den Technischen Überwachungsverein (TÜV), und eine regelmäßige Hauptuntersuchung (HU) ist seit 1951 für jedes Auto in der Bundesrepublik Pflicht. 1963 zog die DDR nach. 1985 kam – erneut unter schwarz-gelber Ägide – die Abgas-Sonderuntersuchung (Asu) hinzu. In der Praxis heißt das: Wer bei TÜV, Dekra oder Asu durchfällt, muß teure Reparaturen bezahlen oder ein anderes Auto kaufen und seinen Altwagen für einen Spottpreis hergeben. Und der rollt dann oft noch Jahrzehnte durch Afrika oder Asien – natürlich ohne teuren Ballast wie Katalysator oder anfällige Abgasrückführung (AGR).

Wer unbelieferte Werkstatt aufsucht, kriegt seine TÜV-Plakette auch ohne die neue Partikelmessung.

Dieses staatlich verordnete Geschäftsmodell wurde ständig verschärft und umbe­nannt (AU; UMA). Die deutsche Luftqualität hat sich dadurch merklich verbessert – und die Firmen, die daran verdienen, wollen noch mehr: Bei Motoren mit Direkteinspritzung würden immer kleinere Rußpartikel emittiert, deshalb „befürworten wir die Einführung neuer Diesel-Meßtechniken ab 2021, durch die auch die Partikelanzahl von Diesel-Fahrzeugen im Rahmen der AU überprüft wird“, verlangte etwa der TÜV. Doch Corona und Lieferkettenabrisse forderten ihren Tribut: Die Partikelmessung (PN) für Euro-6-Diesel wurde auf Januar 2023 verschoben. Doch Gerätehersteller wie Bosch und Hella können nicht fristgerecht liefern. Daher erließ das Bundesverkehrsministerium eine Übergangsregelung: Wer bis 1. November ein PN-Meßgerät bestellt, aber noch nicht bekommen hat, darf auch kommendes Jahr das „bisherige Verfahren der Trübungsmessung“ bei der AU einsetzen. Sprich: Wer seinen Diesel in einer unbelieferten Werkstatt zur Untersuchung gibt, kriegt auch ohne PN-Messung seine TÜV-Plakette. Wer eine belieferte Werkstatt aufsucht, muß hingegen zittern: Eine eventuell nötige AGR-Reparatur ist nicht billig. Für Benziner gibt es die strenge PN-Messung bislang nicht. Aber wie lange noch?