© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/22 / 14. Oktober 2022

Heiße Tassen von heimischen Bäumen
Ersatzlebensmittel: Kaffee kann man auch aus Eicheln herstellen
Tobias Dahlbrügge

Bald müssen wir uns wieder ganz warm anziehen. Erstmalig seit dem Zweiten Weltkrieg werden in Deutschland wieder Städte verdunkelt. Bislang zwar nur touristische Sehenswürdigkeiten wie der Kölner Dom, aber dabei wird es vielleicht nicht bleiben. Früher warnte die Staatspropaganda vor dem „Kohlenklau“, heute vor dem Warmduscher.

Mal sehen, ob uns die derzeitigen Machthaber in Kürze auch in den Genuß von Ersatz-Lebensmitteln kommen lassen, und damit sind nicht Tofu-Schnitzel gemeint. Vielleicht erlebt der Kunsthonig bald eine Renaissance im Supermarktregal. Das Lastenrad als Auto-Surrogat ist ja schon zur Ikone dieser verrückten Epoche geworden, in der Grönemeyers „Kinder an die Macht“ Realität geworden ist – und sich irgendwann wieder alle fragen werden: Wie konnte das nur passieren?

Jedenfalls ist der Kaffee-Ersatz mit dem schönen Namen „Caro Landkaffee“ aus Zichorienwurzel und Getreide – bisher eher ein Ladenhüter – aktuell bereits zum teuren Luxusartikel avanciert und mancherorts schon ausverkauft. Bevor demnächst also sogar der Ersatz für den Ersatz knapp wird, ist es höchste Zeit, sich neue Alternativen zu suchen. Eine liegt vor der Haustür: Eichelkaffee schmeckt – nun ja: „würzig“ – und ist zweifellos gesund. Außerdem tragen die Eichen in diesem Jahr besonders reichhaltig. 

Also los: Ein bis zwei Handvoll Eicheln sammeln. Wer sich unsicher ist, ob er Eicheln überhaupt erkennt, nutzt halt eine Botanik-App auf dem Smartphone zur Identifizierung. (Ob Früchte der Stiel- oder Traubeneiche spielt keine Rolle, mit der Roteiche habe ich, ehrlich gesagt, keine Erfahrung.)

Die Eicheln schälen, von der inneren Haut befreien und in warmes Wasser legen, um die meisten Gerbstoffe herauszulösen. Nach einer Weile abspülen und trocknen. Dann grob hacken und ohne Fett in der Pfanne goldbraun rösten. Anschließend fein mahlen. Nur Mut: Zwei gehäufte Teelöffel mit kochendem Wasser überbrühen und dann, wohl bekomm’s. Eine Prise Zimt verfeinert das rustikale Geschmackserlebnis. Zucker und Milch nach Belieben.

Sie dürfen das Aroma nicht am Filterkaffee messen, sondern müssen es als eigenständiges Geschmackserlebnis wahrnehmen. Den direkten Vergleich verliert das Gebräu natürlich, aber als originäre Gaumennote reicht es allemal für ein „interessant“. 

Nun ja, vielleicht ist es eben kein Zufall, daß Eicheln zur Lieblingsäsung des Schwarzwildes zählen. Wer mag, zündet sich dazu eine Selbstgedrehte aus trockenem Buchenlaub an, dann ist das Trümmer-Gefühl perfekt. Na, Scherz beiseite. Das Heißgetränk aus dem heimischen Wald soll immerhin blutdrucksenkend wirken – und das ist heute im besten Deutschland, das wir je hatten, ganz besonders wichtig.

Bucheckern und Wegwarte eignen sich ebenfalls

Statt Eicheln lassen sich auch Bucheckern zum Heißgetränk aufbrühen. Die Früchte der Rotbuche sind fettreich, enthalten viele Mineralien sowie Zink und Eisen. Giftige Alkaloide werden durch das Rösten neutralisiert. Ganz aufgeschlossene Germanen-Barista können mit Eichel-Bucheckern-Mischungen experimentieren. 

Auch die Gemeine Wegwarte, die als Pionierpflanze an Straßenbanketten und Verkehrsinseln blau blüht, ist als „Kaffee“ genießbar. Seit den Tagen des Alten Fritz ist sie unter ihrem lateinischen Namen Zichorie nämlich Bestandteil des „Muckefuck“. Die tiefen Pfahlwurzeln geben kräftige Farbe und Bitteraromen ab und sind mit dem Chicorée verwandt. Viele gesunde Inhaltsstoffe bescheren der Wegwarte aktuell einen Imagewandel vom Ersatzkaffee zum Power-Trendfood. 2020 wurde die Zichorie zur Heilpflanze des Jahres gekürt.

Also fort mit Jacobs Krönung, weg mit Coffee-Pads und Plastikkapseln! Kaffee gab ich für Eicheln! Jetzt heißt es: Verzicht für Klima, Diversität und Nachhaltigkeit! Halten Sie eisern durch – wir stehen kurz vor dem Endsieg! Apropos: Das letzte Mal, als wir ganz kurz vor dem Endsieg standen, empfahl die Führung den Bürgern übrigens Frösche als Eiweißquelle. Gewöhnen Sie sich also schon mal an den Gedanken. Kröten schlucken ist man als Insasse des Grünen Reiches ja reichlich gewöhnt.