© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/22 / 21. Oktober 2022

Seid verschlungen, Millionen
„Demokratie leben!“: Von Jahr zu Jahr wird das Programm des Bundesfamilienministeriums teurer / Wer da so alles gefördert wird, wirft Fragen auf
Vincent Steinkohl

Die SPD-Bundestagsfraktion zeigt sich begeistert: „Wir stocken die Mittel für Demokratieförderung allein im Haushalt des Familienministeriums auf die Rekordhöhe von 200 Millionen Euro ab 2023 auf“, hieß es in der vergangenen Woche in einer Pressemitteilung. Doch das ist nicht alles. „In den nächsten Monaten bringen wir zudem ein Demokratiefördergesetz in den Deutschen Bundestag ein.“ Mit diesem soll das Budget der zivilgesellschaftlichen Akteure massiv ausgebaut werden. Ein erster Entwurf liegt bereits vor und steht derzeit zur Diskussion.

Schon im Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung versprochen, die Finanzierung entsprechender Projekte „dauerhaft abzusichern“, indem „bestehende Strukturen“ gestärkt würden. Gemeint ist vor allem das Bundesprogramm „Demokratie leben!“, über das bislang ein Großteil der Fördermittel für die entsprechenden Vereine und Organisationen fließt. 

Unterstützung erhalten vor allem linke Projekte

Bereits seit 2015 fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) „zivilgesellschaftliches Engagement“. „Demokratie leben!“ folgte ab Januar 2015 auf die zum Ende 2014 ausgelaufenen Bundesprogramme „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ und „Initiative Demokratie Stärken“. Erklärtes Ziel von „Demokratie leben!“ und seinen Vorläufern ist es, „das Verständnis für Demokratie, die demokratische Bildung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ zu stärken.

Das Geld dafür fließt reichlich: 2023 sollen es ganze 182 Millionen Euro sein. Bereits für das laufende Jahr stehen „Demokratie leben!“ 165,5 Millionen Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: 2015 betrug das Budget noch 40,5 Millionen Euro. 2017 wuchs die Summe bereits auf 104,5 Millionen an.

Bundesweit beinhaltet „Demokratie leben!“ über 600 Projekte, deren Hauptaugenmerk auf „Demokratieförderung“, „Vielfaltgestaltung“ und „Extremismusprävention“ liegt. Innerhalb frühzeitig bekanntgegebener Fristen kann sich jedes Projekt für die Ausschreibung zur Förderung bewerben. Die Antragsfrist für das kommende Jahr läuft aktuell noch bis zum 8. November. Anschließend entscheidet ein Begleitausschuß, ob und in welcher Höhe ein Projekt gefördert werden soll. Der Ausschuß muß „mehrheitlich zivilgesellschaftlich besetzt sein“. Vertreter von Kirchen, Verbänden und Lobbygruppen entscheiden darüber, wer finanziert wird. Die Zielgruppe von „Demokratie leben!“ besteht eigenen Angaben zufolge vor allem aus Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Doch welche Vereine und Organisationen erhalten das Geld? Vor allem linke Projekte und „Anti-Rechts-Kämpfer“ profitieren massiv. Die Fördersumme der Amadeu-Antonio-Stiftung stieg in den vergangenen Jahren von 476.956,36 Euro (2020) auf mittlerweile 551.845,23 Euro. Der postkoloniale Verein Each One Teach One, federführend in den Anti-Rassismus-Debatten in Deutschland, erhielt in diesem Jahr 566.427,91 Euro, vor zwei Jahren waren es 471.076,26 Euro.

Die Extremismusbekämpfung des Programms hat eine klare politische Schlagseite: Während sich 35 Projekte mit „Chancen und Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft – Vielfalt und Antidiskriminierung“ befassen, 16 mit dem Thema „Rassismus“ und 23 mit dem „Rechtsextremismus“, sind es bei „linkem Extremismus“ nur sechs. Mittlerweile 440.000 Euro jährlich für den Kampf gegen Linksextremismus erhält dabei das Institut für Demokratieforschung an der Georg-August-Universität Göttingen. Die Ironie: Die dort ansässige Bundesfachstelle „Linke Militanz“ wird von mehrheitlich linken Politologen geführt (JF 18/20). Michael Lühmann, ein Mitarbeiter der Fachstelle „Linke Militanz“, hatte 2019 nach der Landtagswahl in Sachsen mit Blick auf die 27,5 Prozent für die AfD geschrieben, jeder dritte männliche Wähler in Sachsen habe mutmaßlich „Scheiße im Kopf“. 2017 wurde eine vom Institut für Demokratieforschung erstellte Studie zu „Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland“ aufgrund methodischer Fehler und des Mangels an wissenschaftlicher Sorgfalt zurückgewiesen.

Ressentiments sind  kein Ausschlußkriterium

Das Familienministerium fördert über „Demokratie leben!“ zudem 13 Projekte zum Thema „Islam- und Muslimfeindlichkeit“, aber nur zehn zum „Islamistischen Extremismus“. Hoch im Kurs steht auch „Haß im Netz“ mit 33 Projekten. Gegen „Haß im Netz“ sollen unter anderem die „Datteltäter“ eintreten. Die Satire-Gruppe aus Berlin ist Teil des öffentlich-rechtlichen Internetnetzwerks „Funk“ und produziert humoristische Kurzvideos über Rassismus und das Zusammenleben von Deutschen und Muslimen. Im vergangenen Monat veröffentlichten sie ein Video mit dem Titel „Die Alman Safari – Den Deutschen auf der Spur!“. Darin wird der Deutsche als humorloser und feiger Spießbürger verhöhnt, der mit seiner Pedanterie und Überheblichkeit seinen Nachbarn mit Migrationshintergrund das Leben schwermacht. „Alman“ heißt auf türkisch wertfrei „Deutscher“, wird aber umgangssprachlich unter jungen Menschen abwertend verwendet. Selbstkritik findet bei den „Datteltätern“ nicht statt, im Gegenteil. Nur wenige Wochen nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2016, veröffentlichte die Gruppe ein Video, in dem sie den Fokus auf den „Generalverdacht“ gegenüber Muslimen legte. Mehr als 187.000 Euro erhielten die „Datteltäter“ allein 2022 aus dem Fördertopf von „Demokratie leben!“.

Die „Datteltäter“ sind nur eine von vielen muslimischen Organisationen, die durch „Demokratie leben!“ finanziell gefördert werden. Das Themenfeld „Islam- und Muslimfeindlichkeit“ wird unter anderem von „CLAIM/Teilseiend“ bearbeitet, einem Dachverband verschiedener islamischer Lobbygruppen. Mehr als eine halbe Million Euro erhielt die Organisation im Jahr 2022. Zu ihrem Netzwerk gehört neben der Türkischen Gemeinde in Deutschland, die den Völkermord an den Armeniern leugnet, auch die Muslimische Jugend in Deutschland (MJD). Die Organisation beschreibt sich selbst als „deutsche, unabhängige, muslimische Jugendorganisation“ mit dem Ziel, „muslimische Jugendliche zusammenzubringen und sie bei ihrer Identitätsfindung und Persönlichkeitsentfaltung zu unterstützen“. 2015 beurteilte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages die MJD aufgrund personeller und organisatorischer Verflechtungen als „Kaderschmiede“ der Muslimbruderschaft.

Die MJD wurde in Berichten von drei Landesämtern und vom Bundesamt für Verfassungsschutz erwähnt.  Die Inlandsnachrichtendienste sahen in ihr „eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“, weil sie antiwestliche Ressentiments schüre. Der hessische Verfassungsschutz zählt sie nach wie vor zu den deutschen Organisationen mit Nähe zur islamistischen Muslimbruderschaft. Nach Auffassung des Amtes werde die Weltanschauung der Muslimbruderschaft in Deutschland vor allem durch die MJD vertreten.

Wie aber kann es passieren, daß derartige Organisationen staatlich gefördert werden? Die Antwort auf eine Anfrage der JUNGEN FREIHEIT bleibt nichtssagend. Das Familienministerium antwortet: „Die Projektförderung des Bundesprogramms ‘Demokratie leben!’ zielt vor allem auf die Weiterentwicklung der präventiv-pädagogischen Fachpraxis ab, unterstützt demokratisches Engagement und stärkt zivilgesellschaftliche Strukturen. Wichtig bei der Auswahl ist insbesondere, daß ein Projekt innovativ, modellhaft und zielorientiert ist.“