© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/22 / 21. Oktober 2022

Einflüstern und Abkassieren
Die Macht der Zivilgesellschaft: Bei zahlreichen Gesetzesvorhaben haben immer dieselben linken Lobbygruppen ihre Finger mit im Spiel
Björn Harms

Beinahe unaufhörlich warnen die sogenannten zivilgesellschaftlichen Akteure: „Unsere Demokratie ist in Gefahr!“ Die Mittel im Kampf gegen Rechts – denn von hier gehe die Gefahr schließlich vorrangig aus – müßten drastisch erhöht werden. Passenderweise hat die Bundesregierung nun einen ersten Entwurf des bereits unter der Regierung Merkel geplanten „Demokratiefördergesetzes“ vorgelegt.

Mit dem Projekt will die Ampel-Koalition zivilgesellschaftliche Projekte gegen Extremismus erstmals mit einem eigenen Bundesgesetz „dauerhaft“ und „verläßlich“ mit Geld ausstatten. Bislang läuft die Finanzierung der vornehmlich linken Projekte über lediglich eine Förderperiode, sprich mehrere Jahre. Nun soll auch über die Wahlperiode einer Regierung hinaus die Finanzierung sichergestellt werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verspricht, die Zivilgesellschaft „nachhaltig“ abzusichern.

Schlecht geht es den linken NGOs schon jetzt nicht. Ihre Macht wächst rasant, auch weil sie auf viele Gesetze in Voranhörungen Einfluß nehmen können. Diese „Beteiligungsverfahren“ sind im Koalitionspapier ausdrücklich festgehalten. Ende Februar wurden zahlreiche Lobbygruppen eingeladen, ihre Stellungnahmen zum Demokratiefördergesetz abzugeben. Die entsprechede Liste von 156 Organisationen liegt der JF vor. Hier finden sich die üblichen Verdächtigen, von denen viele auch schon im Falle des 1,1 Milliarden Euro schweren „Maßnahmenkatalogs des Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus“ beratend tätig waren: Die Amadeu-Antonio-Stiftung sprach vor, der Lesben- und Schwulenverband war dabei, genau wie die großen Migrantenlobbygruppen. Progressive, private Stiftungen wie die Mercator-Stiftung oder die Bosch-Stiftung nahmen Einfluß, und auch Claim, die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit, durfte beratend tätig sein.

Seltsamerweise hält sich der Jubel bei vielen linken NGOs, die massiv vom Demokratiefördergesetz profitieren würden, noch in Grenzen. Grund dafür: Der jetzige Entwurf reicht ihnen nicht aus. Sie wollen mehr. Faeser hatte zuletzt bekräftigt, mit dem Gesetz die Demokratie „von innen heraus zu stärken“. Betrachtet man die weitreichenden Forderungen der Lobbygruppen soll die Demokratie jedoch stärker von innen heraus ausgehöhlt werden.Nicht mehr allein der Staat und seine gewählten Vertreter sollen über die Verteilung von Steuermitteln entscheiden, sondern am besten die linken Vereine und Initiativen selbst, verlangt etwa die Amadeu-Antonio-Stiftung in einer gemeinsamen Stellungnahme mit weiteren NGOs. Demnach sollen Sachverständigen- und Fachbeiräte „unter Beteiligung der Zivilgesellschaft und Wissenschaft“ eingerichtet werden, denen die Prüfung der „Förderrichtlinien“, die Begutachtung der „Bewerbungen“ und sogar die „Beratung der Bewerber“ übertragen werden soll.

Das würde bedeuten: Zivilgesellschaftliche Akteure entscheiden darüber, welche zivilgesellschaftlichen Akteure gefördert werden. Zusätzlich beraten sie, wie der Förderantrag ausgefüllt werden muß, um möglichst viel Geld zu erhalten. Die entsprechenden Förderrichtlinien haben sie passenderweise ebenfalls selbst mit erarbeitet. Der Bund darf zuhören, abnicken und zahlen. Jährlich „mindestens 500 Millionen Euro“ sollen nach dem Wunsch der Amadeu-Antonio-Stiftung in die „Demokratieförderung“ fließen. Über 300 Millionen Euro mehr als 2023 ohnehin für das Programm „Demokratie leben!“ eingeplant werden.

Hinter dem Machtausbau steckt das globale Projekt „Open Government“

Die Budgets der NGOs dehnen sich aus, während zugleich kein institutioneller Bereich an ihnen vorbeikommt. Anfang September lud das Bundes-innenministerium (BMI) zur Fachtagung „Haß und Gewalt den Nährboden entziehen“ ein, bei der Polizei und Zivilgesellschaft über die Zusammenarbeit im Kampf gegen Rechtsextremismus diskutieren sollten. Wer durfte die Polizei, zahlreich vertreten mit diversen Landeskriminalämtern, hier mit ihrer Expertise beglücken, wollte die JUNGE FREIHEIT vom BMI wissen? Es sind dieselben „woken“ Lobbygruppen, die der Polizei ständig Rassismus und „Racial Profiling“ vorwerfen. Wieder war die Amadeu-Antonio-Stiftung vor Ort, die Neuen deutschen Medienmacher, der Bundesverband Mobile Beratung e.V., zudem rund ein Dutzend weiterer NGOs, teilt das BMI der JF mit. Alle staatlichen Stellen, selbst also auch Polizei und Bundeswehr, werden von der linken Zivilgesellschaft beeinflußt.

Das Phänomen läßt sich auch global betrachten – denn es ist ein globales Projekt. Dahinter steckt das Konzept des „Open Government“, offiziell ein Synonym für die „Öffnung von Regierung und Verwaltung gegenüber der Bevölkerung und der Wirtschaft“. Tatsächlich meint „Bevölkerung“ jedoch zivilgesellschaftliche Akteure. Das heißt mehrheitlich linke Aktivistengruppen werden mit staatsähnlichen Kompetenzen ausgestattet oder dürfen vermehrt auf Gesetzesvorhaben Einfluß nehmen. 

Genauso steht „Wirtschaft“ tatsächlich für die Lobbyarbeit der großen Konzerne und progressiven Superreichen, die über ihre Stiftungen wiederum die Finanzmittel für die NGOs bereitstellen. Bereits im Jahr 2011 riefen private Stiftungen und die US-Regierung die „Open Government Partnership“ (OGP) ins Leben, der sich mittlerweile 78 Länder angeschlossen haben, darunter auch Deutschland. An Geldgebern mangelt es nicht: Das britische Entwicklungsministerium steuerte seit 2012 knapp 11,5 Millionen Euro bei, die Entwicklungsbehörde der USA beließ es seit 2014 bei rund 3,7 Millionen Euro. Die Europäische Union überwies bislang knapp 2,5 Millionen Euro. Vor allem aber die privaten Wohltäter lassen sich nicht lumpen: Die „Open Society Foundation“ des US-Milliardärs George Soros butterte seit 2013 über 10,2 Millionen Euro in die Kampagne, die Stiftung des Tech-Milliardärs William Hewlett steuerte ebenfalls knapp 10,8 Millionen Euro bei. Von der Stiftung des Ebay-Gründers Pierre Omidyar kamen knapp 6,7 Millionen Euro. Zahlreiche weitere Spender kommen hinzu. 

Das wichtigste Ziel der Kampagne ist es über „Nationale Aktionspläne“ die Bevölkerung vermehrt an der Demokratie zu beteiligen, um „offene Verwaltungen“ und „Transparenz“ zu schaffen. Tatsächlich wird vor allem der Machtanspruch der NGOs zementiert. Die OGP veranstaltet regelmäßig und überall verschiedenste Netzwerktreffen – in Europa, Nordamerika oder Afrika. Das Lobby-System der Zivilgesellschaft ist längst eine riesige bürokratische Struktur, in deren technokratischem Apparat staatliche Hoheitsgebiete zunehmend mit privatwirtschaftlichen Interessen verschmelzen. Sowohl staatliche als auch private Akteure beraten, leiten und konzipieren die von der OGP angedachten „Nationalen Aktionspläne“ in den einzelnen Ländern. In Deutschland soll der mittlerweile vierte Nationale Aktionsplan, der erneut „vom Dialog mit der Zivilgesellschaft profitieren“ soll, im ersten Halbjahr 2023 vorgestellt werden. 

Die Umsetzung der Aktionspläne in den einzelnen Ländern wird auf der Website der OGP mittels einer Datenbank streng überwacht und dokumentiert. Die Länder haben sich nun mal verpflichtet, diesen Weg einzuschlagen. Um die Open-Government-Reformen einer „offenen Verwaltung“ zu beschleunigen, sind dabei auch weitere Kooperationspartner mit an Bord. Unter diesen „multilateralen Institutionen“ befinden sich etwa die Weltbank, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Im jetzigen Koalitionsvertrag hat sich auch die Ampel-Regierung dazu verpflichtet, die „Open-Government-Partnership umzusetzen und weiterzuentwickeln“. Weitere Aktionspläne dürften also folgen. Dieses Prinzip hat sich verselbständigt. In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche „Nationale Aktionspläne“, die nach ähnlichen Mustern entworfen werden. 2017 etwa stellte die Bundesregierung den „Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus“ vor, in dem die „Förderung der zivilgesellschaftlichen Aktivitäten“ im Fokus steht. Vier Jahre später erschien der „Nationale Aktionsplan für Integration“, den nicht der Bund allein, sondern „über 300 Partner aus Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Gesellschaft erarbeitet“ haben. 

Auch das Selbstbestimmungsgesetz steht unter massivem Lobbyeinfluß

Auch über das „Diversity“-Geschäft hinaus, macht sich der bürokratische Machtausbau bemerkbar. Unter Schirmherrschaft des Gesundheitsministeriums wurde 2018 beispielsweise der „Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz“ konzipiert, der unter anderem fordert, das deutsche Gesundheitssystem zu stärken, in dem „über das Gesundheitswesen hinaus weitere Akteure aus anderen gesellschaftlichen Bereichen mit einbezogen werden“. Federführend ist hier die Hertie School, eine private Hochschule der Hertie-Stiftung, die im deutschen NGO-Netzwerk einen riesigen Einfluß hat und ebenfalls bei zahlreichen Voranhörungen zu Gesetzen anwesend war. Auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), arbeitet derzeit an einem ressortübergreifenden „Nationalen Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“. Hiermit soll LGBTQ-Lobbygruppen der Zugang zum Bildungswesen und der Privatwirtschaft vereinfacht werden. Im Koalitionspapier versprechen SPD, Grüne und FDP eine ausreichende Finanzierung des Plans, „um Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken“. Die „Aufklärung an Schulen und in der Jugendarbeit“ soll verbessert werden. Zusätzlich will die Ampel-Koalition mit dem Aktionsplan „in der Arbeitswelt das Diversity-Management voranbringen, insbesondere im Mittelstand und im öffentlichen Dienst“. Verpflichtende Antirassismus-, LGBTQ- und Vielfalts-Coachings, durchgeführt von den entsprechenden Experten aus den Lobbygruppen, werden so zum Standard.

Grünen-Politiker Lehmann ist auch beim geplanten Selbstbestimmungsgesetz sowohl staatlicher Akteur als auch Lobbyist. Der 42jährige gilt als einer der striktesten Befürworter des Gesetzes, mit dem jeder Bürger ab 14 Jahren einmal jährlich sein Geschlecht durch einfache Aussage auf dem Standesamt neu eintragen lassen könnte. Laut den verantwortlichen Ministerien soll das im Juni 2022 vorgestellte Eckpunktepapier zum Selbstbestimmungsgesetz zunächst als zivilgesellschaftliche Diskussionsgrundlage dienen. Darf also auch hier die LGBTQ-Szene Einfluß nehmen auf ein Gesetz, von dem LGBTQ-Aktivisten profitieren? Ja, bestätigt eine Antwort des Bundesministeriums für Justiz auf Nachfrage der JF. „Nach Vorlage des Referentenentwurfs werden Verbände angehört“, die dann die „Möglichkeit haben, Stellungnahmen abzugeben“. Welche Lobbygruppen das sind? „Angehört werden Zentral- und Gesamtverbände von Fachkreisen, wenn ihre Belange berührt sind“, erklärt ein Sprecher der Behörde. Die üblichen Verdächtigen also. Der Machtausbau der sogenannten zivilgesellschaftlichen Akteure setzt sich fort.

Zivilgesellschaftliche Organisationen, die im Vorfeld des „Demokratiefördergesetzes“ Stellungnahmen einreichten:  assets.jungefreiheit.de