© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/22 / 21. Oktober 2022

Die Organisation erdölexportierender Länder drosselt die Förderung
Verwirrte Energiepolitik
Thomas Kirchner

Joe Bidens Energiepolitik bringt neue Verwirrungen. Im Wahlkampf 2020 nannte er Mohammed bin Salman al-Saud noch „Mörder“. Im Juli wartete der US-Präsident dennoch beim saudischen Kronprinzen auf und bettelte um Öl. Die Beleidigung hatte man in Riad nicht vergessen: Biden mußte mit leeren Händen heimkehren. Olaf Scholz konnte nach seiner Betteltour in Katar immerhin einen Vertrag vorweisen. Das von Deutschland gekaufte Flüssigerdgas (LNG) fehlt jetzt in Bangladesch und Pakistan, wo es nun zu Stromausfällen kommt. Nach Bidens Nahostreise sollte plötzlich das sanktionierte Venezuela wieder Öl liefern dürfen. Das kann es aber nicht, weil nach mehr als 20 Jahren „bolivarischem Sozialismus“ die Förderanlagen verrostet sind.

Gleichzeitig unternehmen die US-Demokraten alles, was geht, um heimische Ölgewinnung zu drosseln. Seit 2020 ging die US-Förderung um fast zwei Millionen Barrel täglich zurück. Rekordpreise müßten zu Rekordvolumen führen, wäre da nicht das Einfrieren der Vergabe neuer Konzessionen und andere „grüne“ Verhinderungsmaßnahmen. Da half es wenig, daß Biden lautstark einen Teil der strategischen US-Ölreserve freigegeben hat – Spötter bezeichnen sie inzwischen als „taktische Wahlkampfreserve“, denn es geht beim Öl letztlich nur um die Zwischenwahlen am 8. November. Die Ankündigung der Organisation erdölexportierender Länder und Rußlands (OPEC+), die Förderung um zwei Millionen Barrel täglich zu drosseln, war eine Ohrfeige für Biden und Spätfolge des „Mörder-“Vorwurfs.

Doch anstatt die einheimische Förderung zu erleichtern, wollen US-Politiker jetzt Juristen auf den Ölpreis ansetzen: Ein Gesetz soll Kartellklagen gegen die OPEC ermöglichen. Solche Vorschläge scheiterten bislang stets an der Realpolitik. So wird es auch diesmal nach den Midterm Elections kommen. Durch den starken Dollar und Rezessionsängste sank der Rohölpreis zuletzt auf 80 Dollar pro Barrel. Die OPEC hat ein Preisziel von 100 Dollar. Die Nachfrage ist mit 101 Millionen Barrel inzwischen wieder höher als vor Corona. Sind erst einmal die Zwischenwahlen gelaufen und die europäischen Sanktionen gegen russisches Öl in Kraft – was bis zu zwei Millionen Barrel vom Markt nehmen kann – , dürfte der Ölpreis das OPEC-Ziel sogar überschreiten.