© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/22 / 21. Oktober 2022

Lisa Eckhart – Kunst gegen die Entweder-oder-Logik
Mehrdeutige Provokationen
(dg)

Je enger die Herrschenden die Grenzen der Meinungsfreiheit ziehen, desto lauter klingen ihre Beschwörungen von Buntheit und Vielfalt. Tatsächlich gestalte sich denn auch, so beklagt der Islamwissenschaftler Thomas Bauer in seinem Essay „Die Vereindeutigung der Welt“ (Reclam, 2018), das Zusammenleben in immer mehr Gesellschaften und Kulturen nach den Spielregeln der „Ambiguitätsfeindlichkeit des Kapitalismus“. Die Menschheit befinde sich darum, was Stefan Zweig schon 1925 auffiel, in einem Prozeß der „Monotonisierung der Welt“. Diese vollende sich für Bauer bald „transhumanistisch“, wenn Künstliche Intelligenz den „alten Menschen“ mit jenen „mehrdeutigen“ Urteilen und „freien“ Entscheidungen ersetze, die sein effektives Funktionieren im kapitalistischen Verwertungssystem noch immer behindere. Aufhalten lasse sich die Entwicklung hin zur „fundamentalistischen Vereindeutigung“ unserer Lebenswelt, in der Maschinen „ambiguitätsfreie Wahrheiten“ stiften werden, wohl nicht mehr. Aber bremsen, mit Hilfe widerständiger Kunst, Literatur und Musik, insofern sie zur Wahrnehmung komplexer Wirklichkeiten erziehen. Anknüpfend an Bauer empfiehlt die Journalistin Ariana Zustra als ideal geeignet für die Aufgabe, Ambivalenzen auszuhalten, die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart. Obwohl links, AfD- und Trump-Hasserin, etabliert, zum Stammpersonal der ARD-Sendung „Nuhr im Ersten“ zählend, gelinge es ihr durch mehrdeutige Provokationen, sich der „binären Logik des Entweder-Oder“ zu verweigern und die Verlogenheit der zwar Vielfalt predigenden, aber auf „Einheit und Reinheit“ fixierten Hüter der Cancel Culture vorzuführen (Hohe Luft, 6/2022). 


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