© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/22 / 21. Oktober 2022

Gretas mit Doktortitel
Die gefährliche Radikalisierung der Klimapaniker wird sogar wissenschaftlich abgesegnet / Deutsche AKW-Sonderrolle
Tobias Albert

Am 20. August 2018 war nach zehnwöchigen Sommerferien wieder Schulbeginn in Schweden. Doch Greta Thunberg ging nicht in die französische Privatschule in der Döbelnsgatan 9, sondern sie begann ihren „Schulstreik fürs Klima“. Dank wohlwollender Medienberichte und Lehrer sowie finanzkräftiger Spender wurde die Aktion der damals 15jährigen Künstlertochter ab Januar 2019 zu einem freitäglichen Massenphänomen unter Kindern und Studenten vor allem in Deutschland. Am 28. November riefen 429 EU-Parlamentarier der Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken in Straßburg sogar den „Klimanotstand“ aus.

Doch Corona, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise zogen „Fridays for Future“ den Stecker – nur radikale Kleingruppen wie die „Letzte Generation“ sorgen noch mit ihren Klebeaktionen an Autobahnausfahrten oder Kunstwerken und Sabotageakten an Ölpipelines und Kohlekraftwerken für Zorn in der arbeitenden Bevölkerung. Selbst das Auslösen des Feueralarms im Bundestag und im Verkehrsministerium am 10. Oktober hat lediglich der Berliner Feuerwehr zwei Großeinsätze und dem 19jährigen Malte Nierobisch staatsanwaltliche Ermittlungen beschert. Doch unter den Klimapanikern finden sich nicht nur Gymnasiasten und Berufsaktivisten mit viel Tagesfreizeit: Am 22. April blockierten erstmals zehn Wissenschaftler in Deutschland die Untermainbrücke in Frankfurt.

Vortäuschung von Fachkompetenz zur Durchsetzung radikaler Ziele

Laut ihrer Website ist Ziel der „Scientists for Future“, wissenschaftliche Ergebnisse über Klima und Ökologie zu verbreiten und somit die Öffentlichkeit zu bilden. Das klingt seriös, doch weiß die Öffentlichkeit spätestens seit dem „Follow the Science“-Credo der Corona-Maßnahmen, daß Auftragsforschung auch eine politische Schlagseite haben kann. Passend dazu beurteilten die deutschsprachigen „Scientists for Future“ 2021 die Kernenergie als „zu gefährlich, zu teuer und zu langsam verfügbar“, um eine Alternative für fossile Energieträger zu sein und bleiben damit paßgenau im Fahrwasser des grünen Mainstreams. Daß das schwedische Grüne oder Greta Thunberg jüngst im ARD-Interview bei „Maischberger“ anders sehen, ist wohl nur mit westdeutschen Sonderwegen zu erklären.

Und genauso wie sich der harte Kern der freitäglichen Schulschwänzer zur „Extinction Rebellion“ radikalisierte, formiert sich auch unter den Wissenschaftlern mit „Scientist Rebellion“ eine Gruppe, die den Protest mit „zivilem Ungehorsam“ auf die Straße bringt und das Logo von „Extinction Rebellion“ nutzt. Stolz berichten sie, daß sich am Rande der Klimakonferenz 2021 in Glasgow ihre Aktivisten an der King George Bridge festgekettet und diese fünf Stunden lang blockiert haben, was in 21 Festnahmen resultiere. In einem offenen Brief auf ihrer Netzseite wird die Dekarbonisierung gefordert, für die das wohlhabendste Prozent der Gesellschaft zahlen solle, das von der bisherigen zerstörerischen Weltordnung enorm profitiert hätte – schöner hätte es ein grüner Karl Marx auch kaum formulieren können.

Unterzeichnet wurde dieser Brief von über 200 Personen, von denen aber nur 15 als Professoren bezeichnet werden, unter denen sich wiederum neben Statistikern und Biologen auch zwei Literaturwissenschaftler, ein vergleichender Religionswissenschaftler und zwei Sozialwissenschaftler finden. Da der Begriff „Scientist“ im Englischen explizit Naturwissenschaftler meint und andere Wissenschaften nicht einbezieht, handelt es sich um eine Vortäuschung von Fachkompetenz. Interessanterweise arbeiten fünf dieser Professoren in Lausanne, wo 2019 das SMILE-Treffen von „Fridays for Future“ stattfand, also in demselben Jahr, in dem auch die „Scientists for Future“ sich mit einem deutschsprachigen offenen Brief konstituierten. Ist Lausanne also das Zentrum dieser Bewegung?

Es stellt sich die Frage, wo die Radikalisierung der selbsternannten Klimaschützer enden wird. Wenn mit wissenschaftlicher Autorität der Aufstand gegen die eigene Ausrottung – denn nichts anderes bedeutet „Extinction Rebellion“ – eingefordert wird, kann der gute Zweck so manches heiligen. Gerade die Jugend läßt sich allzu leicht für extreme Aktionen gewinnen, wie die Auswüchse der 68er-Bewegung in Deutschland und die nahezu gleichzeitige Kulturrevolution Maos zeigen. Der Klimaaktivist und ehemaliger Referent der jährlich mit 60 Millionen Euro Steuergeldern geförderten Rosa-Luxemburg-Stiftung Tadzio Müller, auch bekannt aus einem öffentlich-rechtlichen Funk-Video über Sex unter dem Einfluß von Drogen, drohte bereits mit einer „Grünen RAF“, falls die jetzigen Klimaforderungen nicht erfüllt würden. Solange „die Wissenschaft“ den Glauben an die nahende Apokalypse fördert, sollten solche Drohungen ernst genommen werden.

 info-de.scientists4future.org

 scientistrebellion.com